Polizei berät Flüchtlinge zum Radeln
Schilder, Beleuchtung, Regeln: In Lank erhielten Asylbewerber gestern praktische Tipps zum Fahrradfahren in Deutschland.
Das rohe Ei, umhüllt von einem nachgebildeten Fahrradhelm, bleibt beim freien Fall unversehrt. Erst als der „Helm“ abgenommen wird und das Ei wieder im freien Fall auf den Tisch knallt, zerbricht es. Ali, Daahir und Rahim verstehen sofort, was gemeint ist. Sabine Porrio und ihre Kollegin Martina Vomberg von der Verkehrsprävention der Polizei Neuss kennen den Effekt des zerbrochenen Eis schon aus früheren Unterrichtseinheiten. Den beiden Polizistinnen ist ganz wichtig, dass die Flüchtlinge, die sich in den unterschiedlichen Stadtteilen von Meerbusch aufhalten, sicher durch den Straßenverkehr in dem für sie fremden Land kommen. „In Deutschland ist einiges an Regeln kompliziert“, weiß Vomberg und versucht es, spielerisch und leicht verständlich zu erklären.
Gestern wurde der Werkraum der St.-Stephanus-Gemeinde an der Gonellastraße in Lank zum Unterrichtszimmer. Dort, wo sonst die „Baggerfabrik“ ist, mit der Flüchtlinge auf einen Beruf vorbereitet werden, ging es jetzt um Einbahnstraßen, Fahrradwege und verkehrssichere Räder. Fahrradfahren können die Flüchtlinge zum großen Teil. Ali und Daahir sind auf jeden Fall in ihrer Heimat, in Somalia, auch schon mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Und Rahim, der vor anderthalb Jahren mit seiner Familie aus Afghanistan nach Deutschland floh, hat bereits ein Fahrrad. „Was ist wichtig, wenn Sie kontrolliert werden?“ fragt die Polizistinnen. Rahim lacht: „Dass das Fahrrad auch funktioniert. Und mein Ausweis.“ Genau, die Beamtinnen nicken. Aber ebenso wichtig sei ein Eigentumsnachweis, dass ihnen das Fahrrad auch wirklich gehört. Das Wort „Eigentumsnachweis“ kommt bei den Männern offensichtlich noch nicht ganz an, wird später übersetzt. Den Sinn aber verstehen sie.
Rahim aus Afghanistan auf die Frage, was bei einer Kontrolle wichtig ist
Die Flüchtlinge verstehen Englisch, können sich aber eben auch schon gut in Deutsch verständigen. Rahim zum Beispiel ist in seiner Heimat Logistikmanager gewesen, hat in Kabul mit der britischen Botschaft zusammengearbeitet und die deutsche Schule besucht. In Meerbusch hat der Vater von zwei Söhnen ( zwölf und neun Jahre alt) keine Arbeit und arbeitet demnächst in einem Büro. Wenn seine Hilfe als Dolmetscher gebraucht wird, ist er zur Stelle. „Ich habe auch schon in der Turnhalle am Mataré übersetzt“, erzählt er. Mit seiner Familie lebt er in einer Wohnung in Büderich, aber noch mit einer anderen Familie aus Pakistan. „Es wäre schön, wenn wir bald eine eigene Wohnung hätten“, sagt er.
Zurück zu den Fahrrädern: „Welchen Weg dürfen Sie auf diesem Foto benutzen, wenn Sie mit dem Fahrrad unterwegs sind?“ fragt Vomberg Ali aus Somalia. Der steht auf und erklärt es an der Wand: „Ich nehme den Weg“, zeigt er auf den Zebrastreifen — und hört ein Nein. „Mit dem Fahrrad bitte nicht über den Zebrastreifen, so die Polizistin, sondern den Weg über die Straße. Ali nickt. Und auch neben einem Fahrradweg dürfe sie nicht fahren. Ali und Daahir nicken: „Das wissen wir.“
Wie viel Menschen dürfen auf einem Fahrrad sitzen? Rahim weiß es: „Nur eine Person.“ Genau, außer ein Kind im Kindersitz auf dem Gepäckträger. Nächstes Motiv: Eine Radfahrerin ist von hinten zu sehen, wie sie einen Radweg befährt. Ist das richtig so, fragen die Beamtinnen? „Nein, falsche Richtung“, sagt Ali ganz schnell. Alle lachen — und es gibt sogar Applaus für den Somalier.