Umzugsstress im Haus Wellen
Das Traditionslokal in Langst-Kierst wird abgerissen. Zurzeit wird der Betrieb ausgeräumt.
Langst-Kierst. Brigitta und Karl Wellen sind im Umzugsstress. Fast 30 Jahre haben sie die Gaststätte Haus Wellen in Langst-Kierst betrieben und dort auch gewohnt. Zwei Tage vor Heiligabend war Schluss. Jetzt ziehen sie in das Haus der Mutter, direkt gegenüber. Das Paar hat keine Kinder, ein Nachfolger, der den Restaurantbetrieb übernehmen wollte, fand sich nicht.
Wirklich rentabel sei das Restaurant ohnehin längst nicht mehr gewesen, sagt Karl Wellen. „Die letzten zwei Monate waren aber noch einmal extrem gut. Alle wollten ein letztes Mal bei uns essen. Den Betrieb retten kann so etwas natürlich nicht“, sagt Brigitta Wellen.
Dem Paar, Eigentümer von Immobilie und Grundstück, wurde die beantragte Abrissgenehmigung fürs Haus bereits erteilt. Karl Wellen hofft, dass es spätestens im März so weit sein wird. „Die Käufer stehen parat, aber die Politik streitet sich immer noch über die Bauweise der geplanten Wohnhäuser. Ein Zurück gibt es jedenfalls nicht. Theoretisch haben wir zwei Jahre Zeit für den Abriss“, erklärt der 59-Jährige.
Im Moment haben die Wellens ohnehin andere Sorgen. Auf den 800 Quadratmetern Gaststättenfläche stapeln sich Geschirr, Stühle, Tische, Gläser, Spiegel, Spinde und alles, was sich sonst noch in den vielen Jahren — das Haus ist seit 1852 in Familienbesitz — angesammelt hat. Morgen und am Samstag gibt es von 11 bis 17 Uhr einen Abverkauf, ein Wochenende später haben Interessenten eine weitere Chance, Schnäppchen zu erstehen, von der Salatschüssel bis zu Großöfen, Bohner- und Kartoffelschälmaschinen.
Rund drei Zentner Kartoffeln haben die Wellens pro Woche verbraucht, erzählt Brigitta Wellen. „90 Prozent davon wurden mit der Hand nachgeschält. Bei uns wurde noch alles selbst gemacht. Dieser ganze Aufwand war letztlich einfach nicht mehr zu leisten. Auf den Preis kann man so etwas natürlich nicht aufschlagen. Energie- und Entsorgungskosten sind uns über den Kopf gewachsen, und das Bier wird auch jedes Jahr teurer“, sagt die 62-Jährige.
Im Alter von acht Jahren hat Karl Wellen angefangen, nach der Schule im Familienbetrieb auszuhelfen.
„Damals hatten wir noch parallel Landwirtschaft: Kühe, Schweine, Gemüse und Getreide. Mit zwölf Jahren habe ich zum ersten Mal auf dem Trecker gesessen, da hat keiner nach einem Führerschein gefragt. Eine Mucki-Bude brauchten wir erst recht nicht. Mein Vater hat täglich 50-Kilo-Säcke Getreide bis unter das Dach geschleppt, ich die 25-Kilo-Säcke. Zur Belohnung gab es ein Butterbrot.“
Nach seiner Meisterprüfung ging Karl Wellen Anfang der 70er Jahre ins Ausland: Schweiz, Bermudas, Jersey. „Nur bei Uganda hat mein Vater sein Veto eingelegt, da war gerade Idi Amin an der Macht. Rückblickend war es wohl auch besser so“, überlegt der Küchenmeister.
1985 übernahmen Karl Wellen und seine Frau den Betrieb im Haus Wellen. Mit den Angestellten war das seitdem so eine Sache. „Zuletzt arbeiteten vier feste und sechs freie Mitarbeiter in dem Restaurant“, sagt Brigitta Wellen. „Das war ein wahnsinnig gutes Team, die waren alle zum Teil selbst 15 bis 20 Jahre bei uns. Eine Mitarbeiterin wollte unbedingt hier arbeiten, bis sie 70 Jahre alt ist. Das ist im März. Sie hat es nicht ganz geschafft.“
Das war aber nicht immer so. „Wir haben mal vier Leute eingestellt und alle vier in der Probezeit wieder entlassen, weil sie unzuverlässig und nicht lernwillig waren“, sagt Karl Wellen. Teilweise habe man im Sommer die Terrasse nicht öffnen können, weil schlicht das Personal fehlte.
Das liegt jetzt alles hinter den Wellens. Was sie jetzt im Ruhestand vorhaben? „Urlaub“, sagt Brigitta Wellen. „Ich könnte mir vorstellen, noch mal bei Kollegen in der Küche auszuhelfen, wenn Not am Mann ist“, sagt Karl Wellen. Der entgeisterte Blick seiner Frau verrät: Das könnte schwierig werden.