Anwohner machen sich Sorgen um das Bahnhofsquartier

Ein Schriftstück von Bürgermeisterkandidatin Martina Suermann zu dem Viertel sorgt für Diskussionen in der Politik.

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Grevenbroich. Im Bahnhofsquartier mehrt sich Kritik an der Stadtverwaltung. „Immer mehr Menschen fühlen sich im Stich gelassen“, sagt Martina Suermann. Die Ratsfrau, die als Bürgermeisterkandidatin für „Mein Grevenbroich“ antritt und Mitglied der Stellwerk-Initiative ist, hat eine sechsseitige Bestandsaufnahme verfasst. „Viele Bürger, die im Bahnhofsquartier leben oder dort Einzelhandel betreiben, fühlen sich von der Innenstadt abgehängt. Es herrscht der Tenor: Für unsere Bedürfnisse interessiert sich längst niemand mehr“, meint Suermann. „Mit Blick auf das geplante Flüchtlingswohnheim an der Merkatorstraße muss diskutiert werden, ob es sich um den richtigen Standort und die richtige Größe handelt. “

Martina Suermann, Ratsfrau

Laut Suermann gebe es im Bahnhofsquartier zwar eine große „Willkommenskultur“. Dies zeige sich unter anderem an den im Bürgercafé „Stellwerk 71“ von der Arbeiterwohlfahrt angebotenen Alphabetisierungskursen für Migranten sowie dem jüngst dort durchgeführten ersten Treffen des Netzwerks Flüchtlingshilfe Grevenbroich. Aber es handele sich auch um ein Viertel, das von Bürgern als „stark konfliktbehaftet“ wahrgenommen werde. „Das Quartier kämpft seit Jahren gegen den Trading-Down-Effekt“, sagt Suermann. So wird die Abwertung eines Viertels durch vermehrte Ansiedlung gewisser Betriebe wie Spielhallen genannt, die zu einer als negativ empfundenen Entwicklung des Umfelds führen. „Im Bahnhofsviertel sind inzwischen zahlreiche Wettbüros sowie Spielhallen beheimatet“, sagt Suermann. „Es gibt Leerstand, Verfall und die ungewisse Lösung für das Finanzamt an der Erckensstraße. Und der Fußgängertunnel an der Rheydter Straße wird längst als Angstraum wahrgenommen.“ Eine Aufwertung des Viertels sei dringend erforderlich und dürfe nicht nur in der Hoffnung auf das geplante Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) beruhen. „Es muss hinterfragt werden, ob ein derart großes, dauerhaftes Flüchtlingswohnheim für mehr als 100 Personen, wie es die Stadt plant, an einem solchen Standort richtig ist“, meint Suermann. 30, 40 Personen könnten gut integriert werden und im Bahnhofsquartier ein „gutes, neues Zuhause“ finden. Mehr aber sei wegen der Strukturprobleme nicht drin.

Auch wegen dieser These birgt Suermanns Schriftstück jede Menge Konfliktpotenzial. „Beim Lesen stellen sich mir die Nackenhaare hoch“, sagt ein Politiker — und steht damit nicht allein. „Man bekommt das Gefühl, der Standort solle verhindert werden“, betont ein anderer. Beide möchten nicht genannt werden — denn eigentlich sollte das Papier nichtöffentlich bleiben und zunächst in den Fraktionen diskutiert werden. Martina Suermann wehrt sich: „Niemand soll glauben, die asylsuchenden Menschen seien nicht willkommen. Aber wir brauchen für sie eine vernünftige Lösung, die Integration gut ermöglicht.“ Kleinteilige, über die gesamte Stadt verteilte Unterbringungsmöglichkeiten seien dafür geeigneter als die im Rathaus erstellten Pläne.