Ausstellung im Tuppenhof zeigt Urlaubsmomente von Kaarstern
Die Schau wird am morgigen Sonntag um 11 Uhr eröffnet.
Vorst. Britta Spieß weiß die Größe des Raumes nun erst richtig zu schätzen. Das Besondere an der Atmosphäre der Scheune des Tuppenhofes stand schon immer außer Frage, aber die Konzeption so mancher Ausstellung hat der Kuratorin schon Kopfzerbrechen bereitet — besonders, wenn es sich um Exponate handelte, die Wände brauchen. Die spielen bei der aktuellen Schau, die am Sonntag um 11 Uhr eröffnet wird, nur eine untergeordnete Rolle. „Auf in den Süden! Als Urlaub noch ein Abenteuer war“ ist ihr Titel — und dafür verwandelt sich die Scheune in einen Campingplatz.
Nun ja, fast. Aber ein ältlicher Wohnwagen und mehr noch „Piroschka“, ein Faltwohnanhänger, ziehen sofort die Blicke auf sich. Mit Kennzeichen, gut gepflegt, wirken sie gar nicht wie Museumsstücke, sondern Vehikel, die noch im Einsatz sind. „Ist auch so“, bestätigt Britta Spieß, „sie gehören Rainer Neuendorf, der weitere Faltanhänger besitzt und mit dem Wohnwagen gerade noch auf Tour war.“
Die Kuratorin ist ganz glücklich, dass für diese Ausstellung, mit der sich der Tuppenhof erneut am Themenjahr (Leitmotiv „Unterwegs“) des grenzüberschreitenden Kulturgeschichtlichen Museumsnetzwerkes beteiligt, „qualitativ tolle“ Stücke von Kaarstern zusammengekommen sind. Nicht nur ein Faltboot gehört dazu, sondern auch schlichte Zelte und diverse Fotoalben, die von wunderbaren individuellen Geschichten begleitet werden, wurden beigesteuert. Etwa die von Richard Borgmann, heute 73, der als 15-Jähriger mit einem Tanker von Antwerpen ans Schwarze Meer und von da zurück nach Oslo gefahren ist. Oder die von Annemarie Hannen und der Hochzeitsreise 1965 an den Gardasee — wo sie sich traute, in Shorts herumzulaufen.
All das lässt sich nachlesen. Aber Spieß hat nicht nur diese Geschichten aufbereitet, sondern stellt sie in einen Gesamtzusammenhang, der deutlich macht, dass mit der in den 1950er Jahren beginnenden Reiselust der Deutschen sich auch ihr Leben veränderte. „Zunächst waren andere Regionen in Deutschland das Ziel“, erzählt sie, „doch mit dem Wirtschaftswunder kamen auch die Autos und damit der Wunsch, größere Strecken zurückzulegen.“ Italien war für viele das Land der Urlaubsträume, auch wenn der Weg für manche abenteuerlich war. Aber so nachhaltig, dass mancher noch nach 60 Jahren genau weiß, welchen Eindruck etwa der erste Blick auf den Gardasee gemacht hat.
Das besondere Verdienst der Kuratorin ist dabei, mit Hilfe von zusätzlichen Leihgaben etwa des Grefrather Freilichtmuseums und vor allem klugen Texten die individuelle Erfahrung zu einer gesellschaftlichen zu weiten. Denn die Reiselust hat auch die eigene Heimat verändert — und sei es dadurch, dass mehr Tankstellen gebaut wurden.