Der Rhein-Kreis bewaffnet sich

Im Rhein-Kreis wurden im vergangenen Jahr 1514 Anträge für den „Kleinen Waffenschein“ bewilligt.

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Rhein-Kreis. Köln und Silvester. Diese zwei Worte fallen immer wieder, wenn man nach den Gründen für einen Trend fragt, der seit Anfang des vergangenen Jahres auffällig und nun auch statistisch klar erkennbar ist: Die Menschen bewaffnen sich. 1514 Anträge für den „Kleinen Waffenschein“ bewilligte der Kreis im vergangenen Jahr. Das ergab eine Anfrage bei der Kreispolizeibehörde. Im Vorjahr waren es gerade mal 150 neue Anträge.

Die sexuellen Belästigungen am Kölner Dom in der Silvesternacht 2016 werden dabei als klarer Faktor dieser Entwicklung genannt, auch wenn die Gründe für einen Antrag nicht erfasst werden. Laut jüngster Zahlen sind mittlerweile 3201 Menschen im Kreis berechtigt, Gas- und Schreckschusspistolen sowie Pfefferspray und CS-Gas in der Öffentlichkeit mit sich zu führen. Der Gesamtwert hat sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt (2015: 1687).

Falk Henninghaus, Betreiber eines Waffengeschäfts

„Der Besitz eines Kleinen Waffenscheins bedeutet nicht zwangsläufig auch die Anschaffung einer entsprechenden Waffe“, beschwichtigt die Polizei zwar. Anders als bei „echten“ Waffen wie Jagdgewehren, werden Käufe von oben genannten Waffen nicht registriert. Nachfragen bei verschiedenen Waffenhändlern in der Region lassen jedoch vermuten, dass der Anstieg der Berechtigungen auch zu deutlich mehr Besitz geführt hat.

„Wir verkaufen weniger echte Waffen, es gibt halt mittlerweile weniger Jäger. Dafür war der Andrang auf Schreckschusspistolen im vergangenen Jahr enorm“, berichtet beispielsweise Falk Henninghaus. Er betreibt ein Waffengeschäft in Dormagen und beobachtet, dass Männer gezielt zur Pistole, Frauen hingegen eher auf Pfeffer- oder Gasspray zurückgreifen. Wieso die Menschen solche Waffen kaufen, erklären sie ihm dann im Gespräch: „Die Leute sagen, dass sie sich unsicher fühlen und sich schützen wollen.“

Ein Blick in die Statistiken der Kreispolizei zeigt, dass die Zahl der Straftaten im Vergleich zu 2015 um 0,23 Prozent anstieg, gerade Straßenkriminalität (-1,9 Prozent), Wohnungseinbrüche (-9,6 Prozent) und Sexualdelikte (-25 Prozent) aber teils signifikant zurückgingen.

Dass die „kleinen“ Waffen statt Schutz auch eine ganz andere Wirkung haben können, davor warnt die Polizei: „Häufig führt eine Waffe zur Eskalation einer Situation. Bei ungeübtem Umgang besteht auch ein nicht unerhebliches Verletzungsrisiko“, sagt Sprecherin Diane Drawe.

Für die Polizei stellen Schreckschusswaffen außerdem eine echte Gefahr dar: „Außenstehende können ohne weiteres nicht erkennen, ob es sich um einen ,berechtigten’ Waffenträger oder um eine ,echte’ Waffe handelt“, erklärt Drawe. Im Einsatz müssten die Beamten zunächst immer von einer scharfen Waffe mit Schussmunition ausgehen. „Entsprechend kann es zu gefährlichen Situationen kommen“, sagt die Polizeisprecherin.

Zwar werden die Anträge langsam weniger, doch auch eineinhalb Jahre nach Köln ist der Trend zum „kleinen Waffenschein“ noch nicht völlig abgeebbt. Wie die Polizei mitteilt, sind im Jahr 2017 bislang 350 neue Anträge eingegangen, 277 davon wurden bislang bewilligt.

Für Henninghaus ist deshalb die Politik gefordert, dem Drang zur Selbstbewaffnung entgegenzuwirken: „Man muss den Angstvorstellungen der Menschen etwas entgegensetzen“, sagt er. Die vom Bund geplante Gesetzesverschärfung gegen Einbrecher, die auch Gefängnisstrafen vorsieht, könnte seiner Meinung nach ein Schritt in die richtige Richtung sein.