Dormagen: Platz ist nur für jeden Dritten
Raphaelshaus: Jugendämter greifen früher ein. Immer mehr Kinder werden untergebracht.
Dormagen. Regional und überregional herrscht große Nachfrage nach den Angeboten des Jugendhilfezentrums Raphaelshaus, berichtet Direktor Hans Scholten. Einerseits wertet er das Interesse als Beweis für die Anerkennung der fachlichen Arbeit des Hauses, andererseits zeigt sich darin ein bundesweiter Trend.
Die Jugendämter greifen früher ein und vor allem bei jüngeren Kindern im schulpflichtigen Alter unter zehn Jahren gebe es vermehrt Unterbringungsbedarf.
Die hohe Nachfrage könne trotz der 234 Plätze nur zu etwa einem Drittel gestillt werden. "Schon heute sehen wir eine Entwicklung, die im kommenden Jahr dazu führen könnte, dass diese Kinder wieder aus den Einrichtungen heraus und in professionelle Pflegefamilien gegeben werden", sagt Hans Scholten.
Zum einen seien die Kosten in den Einrichtungen für die Ämter wesentlich höher, zum anderen gehörten diese Kinder schlichtweg nicht auf Dauer in Heime wie das Raphaelshaus, weil sie viel mehr die familiäre Wärme einer kleinen Familie brauchen würden, so Scholten.
Als weiteren Trend des vergangenen Jahres bemerkte Scholten, dass die Nachfrage nach einer Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Spezialgruppen nach wie vor hoch sei. In diesen Gruppen werden in intensiver Betreuung besonders aggressive Kinder und solche mit vielfältigen Störungsbildern betreut.
Auffällig sei die Entwicklung bei Mädchen, betont der stellvertretende Einrichtungsleiter Erwin Hackstein: "Hier sind die Probleme überaus brisant und zeigen sich in geballter Form in Multistörungen wie Suizidgefährdung, Aggression und Gewalt oder Verweigerung."
Ziel der Einrichtungsleitung sei es, eine dritte Spezialgruppe anbieten zu können, die Alternativen für straffällig gewordene Jugendliche zwischen 14 und 16Jahren bieten soll. Bisher waren in den Gruppen hauptsächlich jüngere Jugendliche betreut worden.
Das Konzept für die dritte Gruppe stehe bereits, einzig die Finanzen seien noch nicht geklärt.
Diese Woche stehen Gespräche mit Stiftungen an, die das Projekt finanzieren könnten. Immerhin eine Million Euro seien für Gebäudebau und Einrichtung nötig, sagt Scholten. Bei der Konzeptionierung der Spezialgruppe könne man auf bewährte Erfahrungen zurückgreifen, allerdings betrete man Neuland mit den geplanten Kooperationen.
Neben Justiz- und Bewährungshilfe sollen auch Richter und Anwälte mit ins Boot geholt werden, dazu sei es nötig, sich um Berufsfindung und schulische Abschlüsse der Jugendlichen zu kümmern.
Dass Dormagen entgegen dem bundesweiten Trend weniger Kinder in Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen unterbringt, wertet Scholten als positive Folge der umfassenden Prävention und den Projekten zum Kinderschutz, der zurecht bundesweite Beachtung finde. "Damit hat die Stadt ins Schwarze getroffen, denn letztlich werden nicht nur die Kinder geschützt, sondern werden auch weniger Kosten verursacht."