Grevenbroich: Koloss vom Winde verweht
RWE hat gestern mit dem Bau der Kessel für die neuen Kraftwerke in Neurath begonnen.
Grevenbroich. Nein, beirren lassen sie sich bei RWE nicht. Da kann die Debatte um den Klimaschutz und die Probleme der Braunkohle in diesem Zusammenhang noch so hoch schlagen - der Essener Energieriese steht zu seinem heimischen Energieträger. Und die Politiker vor Ort genauso. Eigentlich sollte gestern auf Europas größter Baustelle, auf der RWE in Neurath zwei neue Kraftwerksblöcke baut, "nur" die erste Kesselstütze für das neue Werk gesetzt werden. Stattdessen gab’s Obendrein noch eine Lehrstunde in Sachen Energiepolitik.
Einen Tag nach dem für die Energieriesen enttäuschendem "Klimagipfel" bei der Bundeskanzlerin in Berlin, kam der RWE-Vorstand für fossil gefeuerte Kraftwerke, Johannes Lambertz, höchstselbst, um die anwesenden Kommunalpolitiker und Journalisten von den Vorzügen der Braunkohle zu überzeugen. Eine halbe Stunde lang argumentierte Lambertz, warum die Braunkohle trotzt der hohen Emmissionen des Klimakillers CO2 eine Energie der Zukunft sei. Um das zu unterstreichen, hat RWE eigens einen Film produziert, der die Bedeutung der Braunkohlenergie für die Region hervorhebt.
Und die ist ohne Frage groß. 2,2 Milliarden Euro investieren die Essener derzeit in Neurath. Mit diesem Geld entsteht nach Konzernangaben das modernste und sparsamste Braunkohlekraftwerk der Welt. 900 Menschen arbeiten derzeit auf der Baustelle. "In Hochzeiten werden es 4000 sein", sagt Lambertz. Hinzu kommen die vielen Zuliefererbetriebe in der Region, die von der Mega-Baustelle profitieren. Und die arbeiten offenbar fix.
"Wir sind genau im Zeitplan", sagt RWE-Baustellenleiter Manfred Hensel. Gestern war sozusagen "Bergfest". Denn mit der Errichtung der ersten Kesselstütze, die gestern allerdings wegen des schlechten Wetters und des damit verbundenen Windes aus Sicherheitsgründen nicht vor den Baustellengästen stattfinden konnte, beginnen nun die wichtigen Stahlarbeiten. "Jetzt beginnt der eigentliche Anlagenbau", sagt Manfred Hensel.
Will heißen: Nachdem die Betonhüllen stehen, geht es nun an den Einbau der komplizierten Kraftwerkstechnik. Die Kesselstützen etwa dienen als Gerüst für die Dampferzeuger. 170 Meter sind diese Stützen hoch und 290 Tonnen schwer.
Dafür musste in den letzten Tagen eigens der stärkste Kran der Welt in Neurath aufgebaut werden. Er wird von zwei 750 PS-starken Dieselmotoren angetrieben und war als einziges in der Lage, die schweren Kesselstützen an ihre Stelle zu wuchten.
Viel Kraft wird auch in Zukunft notwendig sein. Denn das fertige Konstrukt zur Dampferzeugung, dessen Teil die Kesselstütze ist, wird dereinst mal 30 000 Tonnen wiegen. Es ist das Herzstück des Kraftwerks. In den Kesseln entsteht jener Dampf, der die Turbinen zur Stromerzeugung antreiben wird.
Bis dahin ist es aber noch Zeit. "In einem Jahr werden wir die erste Druckprobe auf dem Kessel machen", erklärt Johannes Lambertz. Dann wird es ein weiteres halbes Jahr dauern, bis der neue Kraftwerksblock F ans Stromnetz angeschlossen wird. Die erste Synchronisation des neuen Kraftwerks ist für Mitte 2009 geplant. Wenn das Wetter nicht öfter so dazwischen pfuscht wie gestern, ein realistischer Termin.