Grevenbroich: Mit Tempo 70 auf den Heimweg

Reisevereinigung der Erfttaler Brieftaubenzüchter feiert 100-jähriges Bestehen.

Grevenbroich. Der Brieftauben-Sport wurde Willi Dohmen in die Wiege gelegt. Schon der Vater züchtete die schnellen Flieger, und der Sohn war von Kindesbeinen an mit dabei. Von einem "Bazillus" spricht Dohmen schmunzelnd, und der erwischte ihn so heftig, dass er später die väterliche Zucht übernahm.

Heute ist der 68-Jährige Vorsitzender der Reisevereinigung Erfttaler Brieftaubenzüchter, die nun ihr 100-jähriges Jubiläum feierte. In der Reisevereinigung haben sich 21 Vereine mit über 120 Züchtern aus der ganzen Umgebung zusammengeschlossen.

Zur Feier gehörte auch eine Taubenausstellung. Ihre Ausdauer und Schnelligkeit hatten die gezeigten Tiere bereits bei den Wettflügen im Sommer bewiesen, ehe sie sich jetzt einer Schönheitskonkurrenz stellten. Die schönsten unter den schnellen Tauben hat in diesem Jahr Josef Kessel, gefolgt von Janssen & Sohn und Hermann Josef Hütches.

Die ältesten Dokumente der Grevenbroicher Taubenfreunde sind in den Wirren von zwei Weltkriegen verloren gegangen. In den Anfangsjahren wurden die Reisekörbe wohl mit dem Pferdewagen transportiert, später per Eisenbahn. Heute benutzt man einen speziell umgebauten Lastwagen, genannt "Kabinenexpress".

Der Wagen fährt die Tiere an den 100 bis 650 Kilometer entfernten Auflassort, wo sie - sofern das Wetter mitspielt - freigelassen werden. Nach Hause finden sie dank ihres guten Orientierungssinns. Als hätten sie einen Reiseatlas dabei, wählen die Tauben nicht die direkte Luftlinie, sondern richten sich nach großen Straßen oder Schienen. Je nach Witterung erreichen die Vögel Geschwindigkeiten um die 70km/h. Die Ankunftszeiten werden elektronisch aufgezeichnet: wer die schnellsten Tauben hat, gewinnt.

Pro Reise geht allerdings leicht ein ganzer Sonntag drauf, und gereist wird in der Wettkampfsaison zwischen April und September - an jedem Wochenende. Auch zu anderen Jahreszeiten haben die Taubenzüchter ordentlich zu tun. Schließlich wollen die durchschnittlich 100 bis 150 Tiere täglich gepflegt werden. Zusätzliche Arbeit gibt es immer: Es beginnt Anfang des Jahres mit der Auswahl der Zuchtpaare. Im Frühling und Sommer werden die Jungen allmählich zu Hochleistungssportlern trainiert, während die Alttauben bereits ihre Wettflüge absolvieren. Im Spätsommer ist auch der gefiederte Nachwuchs fit für die ersten Touren.

Angesichts des immensen Zeitaufwands hat Willi Dohmen durchaus Verständnis, dass der eigene Nachwuchs die Familientradition nicht fortsetzt. Überhaupt gebe es nur wenige junge Züchter in den Vereinen. "Aber immerhin finden einige Sportsfreunde im Rentenalter zurück zu ihrem Hobby, das sie wegen des Berufs aufgegeben hatten", so seine Erfahrung.

Denn wer den spannendsten Moment im Taubenzüchter-Leben kennt, will diesen Augenblick nicht mehr missen, schwärmt Willi Dohmen: "Man schaut wartend in den Himmel, bis plötzlich die erste Taube auftaucht und sich wie ein Pfeil in den Schlag stürzt."