Kiffen auch in Neuss schon die Fünftklässler?

Eine der 16-Jährige wendet sich an den Meerbuscher Stadtrat und bittet um Hilfe.

Neuss. Wenn sich eine Schülersprecherin an die Bürgermeisterin höchstpersönlich wendet, dann muss ihr schon stark etwas auf der Seele brennen. So ist es vor etwa zwei Wochen im Meerbuscher Stadtrat geschehen. Das Anliegen der 16-Jährigen war triftig und unerfreulich: An ihrer Schule würden bereits Fünftklässler kiffen, sie erbittet dringend Hilfe.

Ist die Situation an Neusser weiterführenden Schulen ähnlich? Der Bedarf nach Beratung und Informationen scheint zumindest gestiegen zu sein, wie Andrea Groß-Reuter von der Fachambulanz für Suchtkranke der Caritas wissen lässt. So wurde erst im April dieses Jahres zusätzlich zu der bestehenden Sprechstunde eine „offene Gruppe“ eingerichtet.

„Nach den Präventionsveranstaltungen in Schulen kommen immer so viele Jugendliche zu uns, dass wir unsere Arbeit intensivieren mussten“, sagt Groß-Reuter. In der wöchentlichen Gruppe finden sie nun den dringend benötigten „Schutzraum, ohne dass sie stigmatisiert werden“, und können sich aussprechen.

Doch auch die hiesigen Schulen haben Präventionsmaßnahmen— etwa an der Gesamtschule an der Erft sowohl im Biologieunterricht als auch im Fach „Soziales Lernen“. „Wir thematisieren auch Gruppendruck “, sagt Lehrerin Ina Purcell.

Drogenvorkommnisse auf dem Schulhof sind ihr nicht bekannt: „Das schwankt jahrgangsweise und ist von einzelnen Personen abhängig. Momentan ist es ziemlich harmlos, einige wenige rauchen“, so die Pädagogin. Diesen Eindruck teilt auch Larissa Wild von der Schülervertretung der Gesamtschule an der Erft: „Ich wüsste nicht, dass jemand in der Schule Drogen konsumiert.“

Die polizeiliche Kriminalstatistik untermauert ihre Beobachtungen. Für das Jahr 2013 sind 36 Delikte in Zusammenhang mit Drogen an Schulen verzeichnet. „Die Zahlen sind recht gering, zumal sie sich auf etwa 140 Schulen im gesamten Rhein-Kreis beziehen“, sagt Diane Drawe. Die Dunkelziffer könnte allerdings höher liegen: „Es sind natürlich nur Taten aufgeführt, die bei der Polizei angezeigt wurden.“

Ob es immer dazu kommen sollte, sei stets eine Einzelfall-Entscheidung. Sie stellt fest: „Die Polizei löst nicht das Problem in den Familien“. Allerdings gäbe es das Kommissariat für polizeiliche Prävention, das, ähnlich wie die Caritas und die Jugend- und Drogenberatung, Aufklärung und Informationen anbietet. Jedoch: Auch die Feststellung eines Drogenkonsums sei immer eine „Momentaufnahme“, sagt Lehrerin Ina Purcell.

Und laut Norbert Bläsing, Leiter der Jugend- und Drogenberatung Neuss, ist dieser „für Laien schwierig zu erkennen“. Lange mit Drogen in Verbindung gebrachte körperliche Anzeichen wie erweiterte Pupillen können auch andere Ursachen haben. Auch ein Drogenentzug sei von einer „mittelschweren Grippe schwer zu unterscheiden“, sagt der Experte und stellt fest:

„Eine holzschnittartige Check-Liste gibt es nicht“. Individuell verschiedene Stoffwechselreaktionen täten ihr Übriges. Im Zweifel zählen auch nicht die bohrenden Fragen nach Drogen — sondern das klärende Gespräch über die viel tiefer liegenden Probleme. „Diese haben meist lange vor dem Konsum angefangen.“

Das Phänomen, dass etwa auf Schultoiletten heimlich geraucht wird, sei ohnehin ein alter Hut. An der Janusz-Korczak-Gesamtschule setzt Schulleiter Achim Fischer auf „einen engen Schulterschluss zwischen Kollegium und Schülern“.

In Informationsveranstaltungen werde die Suchtthematik „in einen größeren Kontext gestellt“. Fischer weiß: „Wenn die Persönlichkeit entsprechend geformt ist, ist man auch nicht für Drogen anfällig“ — und das gelte auch für die neuerliche „Smartphone-Sucht“ unter Eltern.