<strong>Neuss. Können gute Menschen in der Welt bestehen? Das fragte Bert Brecht vor 60 Jahren - ohne eine Antwort zu geben -, und diese Frage stellt jetzt mit dem Brecht-Stück "Der gute Mensch von Sezuan" auch das Rheinische Landestheater. Mit der Parabel über Gut und Böse, um ethisch korrektes Verhalten in einer kapitalistischen Welt, eröffnet das Haus an der Oberstraße am kommenden Samstag die neue Spielzeit. Da kommen drei Götter auf die Welt, machen deren Fortbestand davon abhängig, dass es zumindest einen guten Menschen gibt. Den finden sie in Sezuan in der Prostituierten Shen Te, hier gespielt vom Neuzugang Tini Prüfert. Doch Shen Te muss hartherzig werden, um nicht zugrunde zu gehen, und erfindet ihren bösen Vetter Shui Ta. Die komplizierte Handlung endet bekanntlich mit dem gern zitierten Spruch vom geschlossenen Vorhang, der alle Fragen offen lässt. Am Landestheater inszeniert das Stück jetzt Andre Sebastian, und für ihn war klar: China als die von Brechts gedachte leere Produktionsfläche, wie zur Entstehungszeit noch möglich, funktioniert in Zeiten der Globalisierung längst nicht mehr. So steht Shen Te im Hier und Jetzt, ist der Tabakladen aus Sezuan ein Büdchen, wie es sehr wohl in Neuss angesiedelt sein könnte. Ein "quasi dokumentarisches Bühnenbild" habe Svea Kossack geschaffen, sagt Sebastian, mag aber auch noch nicht mehr verraten. Die Brechtsche Wut über die Verhältnisse sieht Sebastian ebenso wie Dramaturg Harald Wolff auch und gerade heute hochaktuell. Wolfs sagt sogar: "Die Zeit hat Brecht eingeholt." Doch ein schlichtes Schwarz-Weiß-Schema werde man in den Inszenierung nicht entdecken können, betont Andre Sebastian, und Wolf ergänzt: "Das wird kein Agit-Pop." Und die gebrochene Musik von Paul Dessau? Die wird am Landestheater von dem Krefelder Musiker Markus Maria Jansen interpretiert, der, so die Ankündigung des Regisseurs, als Straßengitarrist eine sperrig-eingängige Interpretation liefern wird.
So darf der Theaterfreund gespannt sein, wie das Neusser Ensemble die Spielzeit beginnt. Der Stoff immerhin ist gefragt: Schon jetzt ist das Stück von mehr Städten gebucht als jedes andere aus dem Neusser Angebot und hat sogar den "Jedermann" überrundet.
Premiere ist am Freitag, 7. September, um 20 Uhr; weitere Aufführungen am 10., 11. und 16 September.
Internet www.rlt-neuss.de