Neuss. Es geht um die Zeit lange vor den Römern, vor den Germanen, vor den Kelten. Die Menschen, die hier in der Region lebten, tragen für die Wissenschaftler keine Namen. Vielleicht haben sie eine indogermanische Sprache gesprochen. Wenig ist erhalten von den Männern, Frauen und Kindern, die zur Bronze- und zur älteren Eisenzeit den Niederrhein besiedelten. Doch die Archäologen ziehen auch aus wenigen Funden immer weitreichendere Schlüsse. Eine Erkenntnis gerade aus den letzten Jahren: Diese Menschen hockten etwa nicht fern von weiterentwickelten Kulturen auf den Bäumen, sie standen nicht im Abseits. Eine Ausstellung voller Überraschungen zeigt ab Sonntag im Clemens-Sels-Museum die Welt dieser "Ur-Niederrheiner": Unter dem Titel "Bronzestreif am Horizont" werden Bronze- und ältere Eisenzeit soweit möglich dem Dunkel entrückt. Schwerpunkt der Schau ist die immer noch gewaltig große Zeitspanne zwischen 1200 und 500 vor Christus. 320 Exponate von 21 Leihgebern, dabei auch "bodenfrische" neue Ausgrabungsstücke, geben den aktuellen Stand der Forschung wieder. Die hat es nicht leicht. Da die Menschen nach ihrem Tod verbrannt und in Urnen beigesetzt wurden, fehlen etwa Grabfunde wie aus Süddeutschland. Es gibt keine Textilfunde, keine Hinweise auf einen Kultus, nichts Schriftliches. Trotz vieler Fragezeichen gibt die Schau dennoch erstaunliche Einblicke in eine Zeitspanne, in der an anderer Stelle Homer und Äsop dichteten, Pythagoras seine mathematischen Modelle entwickelte, Tut-ench-Amun oder Salomon herrschten. Im Rheinland begann zur Bronzezeit eine Hierarchisierung der Gesellschaft. Vom Mittelmeerraum her breitete sich das Ideal des "aristokratischen Kriegers" aus. Als Beleg dienen in der Ausstellung zahlreiche schön gestaltete Bronzeschwerter: Waffen, die erstmals nur als Waffen hergestellt und nicht wie Beile auch als Werkzeuge zu nutzen waren. Von hohem Wert waren diese Schwerter, die verblüffend gleich alten Waffen aus Zypern ähneln: Sie wurden als Opfer Gewässern übergeben. Und so findet man sie noch heute am Niederrhein, in Xanten oder Wesel, etwa bei Kiesarbeiten. Wer als "Aristokrat" kämpfte, musste bewirten können. Und so zeigt die Ausstellung Trinkgefäße für Wein, darunter den berühmten Goldbecher aus Fritzdorf, eines der ältesten Goldgefäße außerhalb des mykenischen Raumes. Zahlreiche Bodenfunde belegen auch, dass sich zur Bronzezeit eine intensive und diversitäre Landwirtschaft entwickelte. Die eigentlichen Ur-Wälder wurden abgeholzt, die Bauern pflanzten Getreide wie Emmer oder Gerste und legten Wiesen an: ein Indiz, dass neben Rinder-, Schaf- und Ziegenhaltung auch Pferde gezüchtet wurden. Siedlungsbau, Landwirtschaft, Rekonstruktion der Kleidung - und immer wieder Verbindungen zu anderen teils weit entfernten Kulturlandschaften: Die Ausstellung über den "Bronzestreif" zeigt, so Kurator Carl Pause, bei allen Fragezeichen hinter den Funden aus der Region eine reichhaltige Welt. Ab morgen kann der Besucher in sie eintauchen. Bronzestreif am Horizont, bis 28. Oktober im Clemens-Sels-Museum.
Neuss: Ausstellung - Bauern und Krieger der Bronzezeit
"Bronzestreif am Horizont" im Clemens-Sels- Museum.
06.09.2007
, 00:00 Uhr