Neuss: Die Moral ist am Ende

Justizkomödie: Bremer Shakespeare Company inszenierte im Globe-Theater „Maß für Maß“.

Neuss. Das Lotterleben hat Hochkonjunktur, die Moral ist am Ende. Es geht drunter und drüber, alle laufen wild durcheinander: So beginnt Shakespeares düstere Komödie "Maß für Maß" in der Version der Bremer Shakespeare Company.

Die entfaltet das vielfältige Shakespeare-Drama über Moral und Unmoral ohne angestrengte Bedeutsamkeit, mit viel Poesie, aber auch Humor, angereichert durch rasante Rollenwechsel und lustvolles Spiel. Das sympathische Ensemble aus Bremen ist seit Festival-Beginn Dauergast im Neusser Globe-Theater und zeigte auch am Wochenende seine ganze Routine. Routine, die gefällt: Ausgezeichnete Sprechtechnik und Ausdrucksstärke, schlichte, aber passende Kostüme zeichnen die Szenerie.

Die Aufführung kommt ganz ohne Bühnenbild aus, nur ein Strick baumelt von der Decke. Regisseur Thomas Weber-Schallauer lässt alle Mätzchen weg und konzentriert sich auf Shakespeare. Denn etwas ist faul im Staat, aufgrund menschlichen Verschuldens ist die Welt aus den Fugen geraten. Die Inszenierung transportiert ihre Kritik frech, aber nicht ungezügelt - überlegt, aber nicht überlegen.

Der Herzog hat sein Land heruntergewirtschaftet, er braucht eine kreative Pause und überlässt die heiklen Staatsgeschäfte seinem Stellvertreter Angelo (hervorragend: Tobias Dürr). Einem rigorosen Despoten, der mit scharfen Gesetzen gegen die allgemeine Zuchtlosigkeit vorgeht und jeden hinrichten lässt, der sich nicht beugt. Zum Tode verurteilt wird auch Claudio, der seine Verlobte vor der Hochzeit geschwängert hat. Das Leben ihres Bruder Claudio kann die fromme Isabella (Petra Janina-Schultz) nur retten, indem sie Angelo sexuell zu Willen ist. Um Angelo zu überführen, fädelt der Herzog als Mönch verkleidet eine Intrige ein und fordert Rechenschaft.

Witzig: Gunnar Haberland als Lucio, der ein Schwätzer ist, der verleumdet, wie es ihm gefällt, sich um Kopf und Kragen redet und dabei auch immer ein wenig die Wahrheit spricht. Auch der kölsche Dialekt von Zuhälter Pompejus sorgt für Lacher im Publikum: "Boooh, was biste ne fiese Möp!", poltert er.

Trotz aller Perfektion der Schauspieler, so recht will der Abend bis zur Pause nicht wirklich zünden. Doch als der Herzog im zweiten Teil seine Ränke schmiedet, belebt sich die Szene.

Fazit: Ein wenig mehr Abwechslung, Farbe und Überraschungsmomente hätten dem Stück gut getan, langweilig war es aber nie.