Karatetrainer aus Neuss Selbstverteidigung gibt Frauen Sicherheitsgefühl
Neuss · Nachts auf der Straße oder alleine in der Bahn. An vielen öffentlichen Orten fühlen sich Frauen heute unwohl. Karatetrainer Simo Tolo aus Neuss möchte dabei helfen, sich auf gefährliche Situationen vorzubereiten – und Selbstvertrauen zu lernen.
Frauen sind meist kleiner als Männer, weniger stark und weniger bereit Gewalt anzuwenden. Damit passen sie im öffentlichen Raum scheinbar gut in die Opferrolle, wenn es um Gefährdung durch gewaltvolle Übergriffe geht. Doch dieses Bild vom „schwachen Geschlecht“ wollen Menschen wie Simo Tolo aus Neuss ändern. Als Trainer für Karate und Selbstverteidigung möchte er jungen Frauen Sicherheit vermitteln und sie für das Thema Selbstschutz sensibilisieren: „Heutzutage ist es wichtig, zu wissen, wie man sich schützt. Wenn man sieht, wie die Welt sich entwickelt und auch die Situation auf den Straßen, dann ist es besonders für Frauen wichtig, irgendetwas zu lernen, egal was“, meint der gebürtige Kroate.
Zur Vorbereitung auf Gefahrensituationen bietet Tolo spezielle Frauenkurse an. Die Inhalte variieren und auch die Teilnehmer sind unterschiedlich groß, alt und haben verschiedene oder gar keine Erfahrung mit Kampfsport. „Man kann jedem Menschen Selbstverteidigung beibringen. Es gibt für jede Statur Dinge, die funktionieren. Wir Menschen sind ja Gott sei Dank alle verschieden, dann muss man eben Techniken an die Leute anpassen“, erklärt er.
Besonders wichtig sei dabei die Vermittlung von Selbstbewusstsein. Für viele Menschen sei es schwierig, aus sich herauszukommen, dominant aufzutreten oder mit lauter Stimme auf andere zu reagieren. Deswegen ist neben Schlägen und Tritten auch der laute Gebrauch der Stimme Teil seines Trainings. „Manche kostet das schon Überwindung, jemanden anzuschreien. Aber es geht um selbstbewusstes Auftreten gegen einen Aggressor. Wenn man Schwäche zeigt, dann hat der andere schon gewonnen“, meint Tolo.
Zudem bringt Tolo seinen Schützlingen bei, wie man Gefahrensituationen vermeidet oder möglichst schnell herauskommt. „Man darf nicht vergessen, ein oder zwei Kurse machen niemanden zum Selbstverteidigungsexperten – auch wenn manche Trainer das behaupten. Es ist erst mal wichtig, die Grundlagen zu kennen, um sich in Sicherheit bringen zu können.“
Bei aller Wehrhaftigkeit: Einen Kampf vermeidet man am besten
Denn bei allem Training sei es das Beste, einem echten Kampf aus dem Weg zu gehen. „Das hat dann auch nichts mit Feigheit zu tun. Man weiß nie was passiert“, so Tolo.
Aber welche Grundlagen unterrichtet Tolo dann, wenn man einer Gefahr nicht aus dem Weg gehen kann? Eine Methode ist es, durch Training an Pratzen (Lederkissen zur Übung) die Möglichkeit zu geben, einmal mit voller Kraft zuzuschlagen oder zu treten. Viele Frauen seien daran nicht gewöhnt. Zudem unterrichte er, wie man sich aus Griffen befreit, wie man sich gegen das Ziehen an Haaren schützt und welche Stellen am (meist männlichen) Angreifer besonders verwundbar sind.
Isabelle, Studentin aus Bonn, hat an einem Kurs teilgenommen, den Tolo zuletzt in der alten Hauptstadt angeboten hat. Sie glaubt, die meisten Frauen haben schon Erfahrungen mit Belästigungen oder sogar Übergriffen gemacht. „Trotzdem kommen die meisten nicht auf die Idee, mal so ein Training zu machen. Meine Freundinnen und ich wollten das aber mal ausprobieren.“ Tatsächlich seien viele Frauen sehr friedlich sozialisiert und würden weniger zur Gewalt neigen, glaubt die angehende Juristin. „Für mich war das eine spannende Erfahrung mal meinen Körper so einzusetzen, so was übe ich sonst im Alltag ja nicht.“
Genau diese Neugier möchte Tolo in seinen Kursen wecken. Tatsächlich sehe er auf diesem Gebiet auch eine Veränderung: „Als ich vor über 40 Jahren mit Karate angefangen habe, war das ganz klar Männerdomäne. Heute kann man auch Frauen für so was mehr und mehr begeistern.“
Er hoffe mit seinen Kursen, die er auf Anfrage in und außerhalb von Neuss anbietet, mehr junge Frauen langfristig für Kampfsport oder Selbstverteidigung begeistern zu können. Denn nur mit genügend Training könne man sich im Ernstfall auf seine Techniken verlassen. Am Ende beginne alles mit dem ersten Schritt, sagt der Karatetrainer der Neusser Turngemeinde: „Es ist wie beim Essen, man muss es erst testen, um zu wissen, wie es schmeckt.“