Raum der Kulturen in Neuss Rätsel um verschwundene Fördergelder

Neuss · Der „Raum der Kulturen“ hat Geld von Stadt und Land bekommen, kann aber die ordnungsgemäße Verwendung nicht nachweisen. Das Land fordert 184.800 Euro zurück, die Stadt prüft das noch. Wie reagiert der Vorsitzende?

Der Raum der Kulturen hat in guten Tagen mit Veranstaltungen wie einer Dialogkonferenz zur Integrationspolitik auch in die Gesellschaft gewirkt.

Foto: Raum der Kulturen

Der „Raum der Kulturen“ (RdK) war über Jahre ein Aushängeschild für die Integrationsarbeit in Neuss, und gerne zeigten sich Verantwortliche aller Parteien auf seinen Veranstaltungen oder gemeinsam mit führenden Köpfen des Trägervereins. Doch gegenwärtig hat der Verein nicht nur jede Förderwürdigkeit verloren. Er ist auch kein Ansprech- und Kooperationspartner für die Politik mehr und muss um seine Gemeinnützigkeit und eine Anzeige beim Finanzamt fürchten.

„Mangelnde Zuverlässigkeit bei der Verwendungsnachweisführung“ und „nicht transparente Projektarbeit“ wirft die Stadt den Vereinsverantwortlichen vor. Sie hat den Kooperationsvertrag mit dem Verein mit Wirkung zum 31. Dezember aufgekündigt, schon im Juli ihre Zahlungen eingestellt und denkt darüber nach, bereits gezahlte Fördergelder zurückzufordern, wenn die zweckgebundene Verwendung nicht sauber belegt werden kann. Summen nennt Ordnungsdezernent Holger Lachmann nicht, die Größenordnung aber „hat schon Relevanz“.

Bezirksregierung fordert
mehr als 180 000 Euro zurück

Das Land ist schon einen Schritt weiter. Weil der Raum der Kulturen nämlich nicht nachweisen kann, was er mit den 184 800 Euro angestellt hat, die ihm aus dem Förderprogramm „Fit in Deutsch“ für Sprachkurse für Kinder mit Migrationshintergrund überwiesen wurden, hat die Bezirksregierung Düsseldorf als Landesbehörde die komplette Summe zurückgefordert. Der Verein habe gegen einen entsprechenden Bescheid Klage eingelegt, ergänzt ein Sprecher der Bezirksregierung, doch für die Behörde stehe schon fest, dass der RdK aufgrund eigener Versäumnisse „von jeglichen weiteren Fördermöglichkeiten ausgeschlossen ist.“

Dass in dem Verein, der bis zum vorigen Jahr über eine eigene Geschäftsstelle verfügte und mit – in Spitzenzeiten vier – Beschäftigten auch eine professionelle Struktur aufgebaut hat, Chaos herrschen muss, machte Ordnungsdezernent Holger Lachmann in einer Vorlage für den Integrationsausschuss mit wenigen Ereignissen deutlich: 25. Oktober: Anna Adamovych tritt als Vorsitzende zurück. 15. November: Der verbliebene Vereinsvorstand teilt der Verwaltung in einer persönlichen Aussprache mit, den Verein auflösen zu wollen. Man habe alle Wege ausgeschöpft, den Verein wieder in seinen Ursprungszustand zu überführen, habe es zur Begründung geheißen, nun sei der Verein zahlungsunfähig.

Aufgelöst wurde der Verein nicht. Mitte Dezember wurde in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Hamdi Berdid, 2015 bis 2020 Gründungsvorsitzender des RdK und lange auch dessen Geschäftsführer, erneut zum Vorsitzenden gewählt. Da war die Geschäftsstelle schon geschlossen, der Verein auch im Internet nicht mehr erreichbar.

Die Sitzung sei bemerkenswert gewesen, sagt Roland Kehl (Grüne), der dem Verein angehört. Denn auf Betreiben Berdids und ohne Diskussion sei die Tagesordnung auf zwei Punkte reduziert worden: Entlastung des Vorstandes und Neuwahlen. Also ohne Kassenbericht und -prüfung. Weil Kehl keine Mehrheit dafür fand, die Tagesordnung ordnungsgemäß abzuarbeiten, verließ er die Sitzung. Sein Eindruck: „Da wird gemauschelt, was mit der Vereinssatzung nichts zu tun hat.“ Nachdem er dem Bürgermeister berichtet habe, „dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht“, kündigt Kehl an, auch Finanzamt und Amtsgericht einzuweihen.

Berdid, seit kurzem wieder in Verantwortung aber noch nicht über alle Details voll im Bilde, nennt Kehls „Abgang“ undemokratisch, kritisiert die Darstellung Lachmanns als „voller Halbwahrheiten“ und attackiert seinerseits die Verwaltung. Dass sie den Kooperationsvertrag gekündigt hat, sei zwar ihr gutes Recht und auch, Fördergeld zurückzufordern, wenn dessen ordnungsgemäße Verwendung nicht nachzuweisen ist. Aber dass die Stadt im vergangenen Juli eine zugesagte Förderung einfach stoppt und so den Verein in Schieflage bringt, sei mit dem gemeinsamen Fördervertrag unvereinbar. Gegen diesen Vertragsbruch werde der neue Vorstand vorgehen, zur Not auch rechtlich.

Berdid glaubt nicht, dass der RdK Geld ans Land zurückzahlen muss

Dass der RdK Geld ans Land zurückzahlen muss, glaubt Berdid nicht. Nachweislich seien alle Belege eingereicht worden, behauptet er. Und er kündigt an, innerhalb der im März endenden Frist der Stadt Rechenschaft über die Mittelverwendung 2023 zu geben. Dass diese den Verein 2024 nicht mehr bedacht hat, nennt Berdid sogar befreiend für die künftige Vereinsarbeit. Stadt und Politik hätten in der Vergangenheit diese finanzielle Förderung nämlich für eine Einflussnahme auf den Verein missbraucht. Der agiere nun unabhängig.

„Angriff ist die beste Verteidigung“, kommentiert Susanne Benary diese rhetorische Volte Berdids. Die Grünen-Stadtverordnete, deren Fraktion 2014 die Etablierung des „Raum der Kulturen“ durchsetzte, verteidigt den nach wie vor guten Grundgedanken einer Migranten-Selbstorganisation, ohne dass dahinter ein Wohlfahrtsverband steht. Aber der Raum der Kulturen wird das aus städtischer Sicht nicht mehr sein. Deniz Elbir, Integrationsbeauftragter der Stadt, arbeitet schon daran, „neue Strukturen zu schaffen“.