Treffpunkt im Viertel: Eck-Kneipenhaben längst nicht ausgedient

Sie sind Orte zum Quatschen, Trinken, Spielen und Zanken: Vier Beispiele, die zeigen, dass die Kneipenkultur im Rhein-Kreis quicklebendig ist.

Foto: Andreas Woitschützke

Rhein-Kreis. Sie ist Debattierclub, Nachrichtenbörse, Partykeller und Hobbyraum. Die kleine Welt, in der sich jeder kennt. Ein Ritual, das Generationen verbindet, Mittelpunkt des Netzwerks, das ein funktionierendes Stadtviertel oder Dorf überspannt. Peter Alexander hat sie besungen, die kleine Kneipe in unserer Straße — „hier fragt Dich keiner, was Du hast oder bist“. Zwischen Korn, Klops und Kegelbahn spielt sich das Leben ab. Vier Traditionshäuser im Rhein-Kreis beweisen, dass die Kneipenkultur quicklebendig ist.

Foto: Andreas Woitschützke

„Urig“ trifft es wohl am besten, will man die Atmosphäre im „Haus Bismarck“ in Worte fassen. In der Traditionskneipe, eine der letzten ihrer Art in der Dormagener Innenstadt, scheint die Zeit anzuhalten, seit dort 1957 das erste Kölsch aus dem Zapfhahn floss. Der braun-gelb geflieste Mosaikfußboden zeigt Ausfallerscheinungen, weil der Estrich sich gesenkt hat. „Wird demnächst neu gemacht“, sagt der Mann hinter der Theke. Uli Jung, ein Jahr jünger als die Kneipe, die er führt, setzt auf Tradition ohne Schnickschnack. Würfeln, Karten kloppen, Sauerbraten vom Pferd und dienstags Reibekuchen — im Haus Bismarck findet man Kneipenkultur wie aus dem Lehrbuch. Jung ist immer da, sieben Tage die Woche an fast allen Tagen im Jahr, seit 22 Jahren. „Ich mag es, mit den Leuten zu spielen, zu zanken, zu reden — was ich mache, passt zu mir“, sagt der nach eigenen Worten „Kneipier aus Leidenschaft“, der erst nach mehr als 20 Jahren bei Bayer seine Berufung gefunden hat.

Foto: Andreas Woitschützke

Ähnlich ging es Andreas Struppe. Viele kennen den Mann mit der sonoren Stimme aus seiner Zeit beim Neusser Lokalradio. Gemeinsam mit Ehefrau Irina führt der 47-Jährige seit anderthalb Jahren das „Struppe’s“ — ehemals Haus Wolf — in Grevenbroich-Allrath. Mit Geschick und Feingefühl hat das Paar den beliebten Treffpunkt modernisiert, ohne den Dorfkneipencharakter zu übertünchen. Helles Holz auf Tischen und Theke kontrastiert mit der dunkelbraunen, antiken Eckbank. Neben Biertrinkern und Keglern aus sämtlichen umliegenden Dörfern entdecken zunehmend Familien die Traditionsgaststätte für sich. Dahinter steckt sicher auch die Neugier auf „Struppe’s“ Speisekarte: Wirtin Irina kocht mit viel Liebe auch Spezialitäten aus ihrer russischen Heimat.

Foto: Andreas Woitschützke

Speisen abseits der rheinischen Brauhausküche stehen bei Hossein Assadpour dagegen nur im Sommer auf der Karte. Dann bietet der Iraner „Em Fusseberg“ in Neuss-Helpenstein den Terrassengästen Leckereien aus seiner iranischen Heimat an. „Ich sah den Saal und den Biergarten und war fasziniert“, sagt Assadpour. Genau mit diesen beiden nach hinten gelegenen Schätzen punktet die Kneipe. Im Biergarten trinken die Gäste ihr „Uerige“ mit Gras unter den Füßen. Bevorzugt Radler machen im Sommer hier Station. Zwischen Kneipe und Biergarten liegt der Saal mit Korb-Mobiliar, Terrakotta-Fliesen und freiem Blick auf den hölzernen Dachstuhl, von dem riesige Leuchter herabhängen. Wer dort feiern möchte, darf sein Essen selbst mitbringen.

Bei „Lebioda“ an der Geulenstraße ist der Name Programm. In dritter Generation wird die „Traditionsgaststätte im Herzen der Neusserfurth“ mit Kegelbahn und Schießstand als Familienbetrieb geführt. 19 Schützenzüge aus der Nordstadt versammeln sich dort. „Wir sind die Kneipe fürs Viertel“, sagt Oliver Lebioda. Ist er nicht da, steht Mama Elke am Tresen, sonst Ehefrau Christin — wo Lebioda draufsteht, ist eben auch Lebioda drin. An einem ganz normalen Mittwochabend knubbelt es sich an der Theke. Marillenbrand steht im Regal, der ist beliebt. Dass auch junge Leute kommen, freut ihn.