„Wir müssen unsere Ausgaben senken“
Kaarsts Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus äußert sich über die Themen städtische Finanzen, Flüchtlinge und Mobilität.
Mit Ihrem Dienstantritt am 21. Oktober 2015 haben Sie noch einmal etwas ganz Neues begonnen. Haben Sie diese Entscheidung bisher bereut?
Ulrike Nienhaus: Noch keinen Tag! Es kommt mir auch gar nicht so vor, als wäre das schon fünf Monate her.
Ist die Aufgabe wie erwartet?
Nienhaus: Das Meiste schon. Es gab bisher viele spannende Begegnungen: Menschen kommen auf mich zu, sprechen mich an, rufen mir zu — so wie ein Junge, der auf dem Markt mit dem Rad an mir vorbeifuhr und mich erkannte. So habe ich mir das gewünscht. Und solche Momente entschädigen für manches andere.
Hat Ihnen Ihre Verwaltungserfahrung geholfen, im Amt anzukommen?
Nienhaus: In jedem Fall. Ich habe ein gutbestelltes Haus von Franz-Josef Moormann übernommen. Die Übergabe war hervorragend, bei Fragen steht er mir immer noch zur Verfügung.
Als Bürgermeisterin haben Sie den Vorsitz im Rat und mussten erst einmal Politik lernen. . .
Nienhaus: Als Mitarbeiterin der Bezirksregierung kannte ich Politik — aber auf regionaler Ebene. Hier vor Ort sind wir näher dran. Natürlich brauchen wir im Rat Mehrheiten, aber ich habe festgestellt, dass viele Diskussionen über Themen schließlich einstimmig ausgehen. Wenn es darauf ankommt, findet sich oft eine breite Mehrheit.
Der Ton im Rat ist manchmal rau. Ist die Stimmung schlecht?
Nienhaus: Sie ist manchmal etwas aufgeheizt, das ist eine Herausforderung. Die Emotionen schlagen hoch, wenn der Wille da ist, etwas zu erreichen.
Kaarst gehört zu den vier Städten im Rhein-Kreis Neuss, denen mehr als 1000 Flüchtlinge zugewiesen wurden. Sind damit große Anstrengungen verbunden?
Nienhaus: Ja, das ist nicht nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die teilweise über Grenzen hinaus belastet sind, eine Herkules-Aufgabe, sondern insgesamt für alle in der Stadt. Mit einer so großen Unterstützung durch so viele Ehrenamtler konnten wir nicht rechnen, das hat uns positiv überrascht.
Was ist in diesem Zusammenhang die größte Herausforderung?
Nienhaus: Den Menschen eine Aufgabe, Ziele zu geben. Die räumliche Unterbringung ist auf einem guten Weg. Da haben wir vorausschauend geplant. Aber die Menschen haben bis auf Sprachkurse nichts zu tun, haben weder Tagesstruktur noch Perspektive.
Fordern Sie, dass Flüchtlinge früher arbeiten dürfen?
Nienhaus: Ich bin für schnellere Entscheidungen über Asylanträge. Wenn die Menschen eine Bleibeperspektive haben, lässt sich die Zukunft gestalten. Als Stadt haben wir auch Arbeitsplätze geschaffen, auf denen wir Flüchtlinge in der „Übergangszeit“ beschäftigten können.
Wie stark belasten die Flüchtlinge den städtischen Etat?
Nienhaus: Statt der acht Millionen Euro, die uns theoretisch zustehen, bekommen wir vom Land nur viereinhalb. Da klafft eine Lücke. Das Ungerechte ist, dass wir die Zuweisungsquote übererfüllt haben, während einige große Städte bei 60 oder 65 Prozent liegen, ihnen finanziell aber 100 Prozent angerechnet werden. Das ist nicht in Ordnung. Und die Aussage der Landesregierung, man könne die exakten Beträge nicht berechnen, da die Kommunen die erforderlichen Flüchtlingszahlen nicht liefern könnten, ist absurd.
Finanziell ist die Stadt nicht so gut aufgestellt. Wie wollen Sie dem strukturellen Defizit begegnen?
Nienhaus: Es tut weh, die allgemeine Rücklage angreifen zu müssen, aber nach der aktuellen Planung ist dies in den nächsten Jahren unumgänglich. Wir müssen die Gewerbeflächen in den Blick nehmen und dort weitere Firmen ansiedeln, um die Einkünfte durch Gewerbesteuer zu erhöhen. Daneben müssen wir die Ausgaben senken. Eine Lenkungsgruppe beschäftigt sich aktuell mit Sparvorschlägen.
Wenn Ikea seinen bisherigen Standort verlässt, soll dort also keine Wohnbebauung entstehen?
Nienhaus: Ganz klar: Nein. Das soll weiterhin Gewerbegebiet bleiben.
Das Thema Mobilität liegt Ihnen am Herzen. Stichwort Bürgerbus. . .
Nienhaus: Ja, die Anbindung an die S-Bahn-Strecken muss funktionieren. Ein Bürgerbus wäre in einigen Gebieten eine Lösung. Es kann auch nicht sein, dass es einfacher ist, vom Kaarster See nach Düsseldorf zu fahren als in die Kaarster Stadtmitte. susa