TSV verabschiedet sich aus Liga zwei

Dormagen bestreit heute sein letztes Heimspiel in der Zweiten Bundesliga. Der Abstieg hat viele Gründe.

Foto: Heinz Zaunbrecher

Dormagen. Zu seiner „Abstiegsparty“ hat sich Bayer Dormagen heute Abend (19 Uhr) illustre Gäste eingeladen: Die TSG Friesenheim spielte vor einem Jahr noch in der Ersten Liga und hat — wenn auch nur rein rechnerisch — am letzten Spieltag immer noch die Chance auf die direkte Rückkehr in die Erstklassigkeit. Für die Gastgeber führt der Fahrstuhl dagegen eine Etage tiefer. Zum dritten Mal seit 1983, als erstmals der Sprung in die Zweite Liga gelang, steigen die Dormagener Handballer in die Dritte Liga ab. Auf den Unterschied zu 2002 und 2012 legt Handball-Geschäftsführer Björn Barthel großen Wert: „Wir sind nicht wie in der Vergangenheit aus wirtschaftlichen, sondern aus sportlichen Gründen abgestiegen.“ Wobei die „sportlichen Gründe“ auch wirtschaftliche Ursachen haben, weshalb Barthel anfügt: „Allerdings werden wir auch daran arbeiten, unseren Etat auf das nötige Zweitliga-Niveau zu bringen.“ Das sind die Gründe für die Talfahrt:

So viel besser als jetzt war der TSV Bayer in der Aufstiegssaison 2014/15 auch nicht. Da reichten ihm 25 Pluspunkte zum Klassenerhalt, jetzt könnten es bei einem Sieg heute Abend 23 werden. Vor einem Jahr waren am Tabellenende Baunatal, Hildesheim und Hüttenberg schon früh abgeschlagen — jetzt tobt der Kampf gegen den Abstieg bis zum letzten Spieltag, weil vor allem die Neulinge (Wilhelmshaven, Ferndorf, Hagen) stärker waren als in den Jahren zuvor. Wie stark die Liga ist, mussten auch Clubs wie Rimpar oder Bietigheim erkennen, die sich unversehens im Abstiegskampf wiederfanden.

Sportliche Leitung und Trainer haben im Sommer zu sehr darauf vertraut, dass die Spieler aus ihrer ersten Zweitliga-Saison und den dort gemachten Fehlern gelernt hätten, doch dafür war der größte Teil des Aufgebots offenbar zu jung. Daraus resultiert Grund Nummer vier:

Im Vertrauen auf den Lerneffekt und in Ermangelung eines wirklich zweitliga-tauglichen Etats legte sich der TSV vor der Saison Zurückhaltung auf dem Transfermarkt auf. In Sachen Personalpolitik fehlt allerdings schon länger das richtige Händchen (oder Näschen): Angefangen bei Andreas Simon über Marijan Basic und Nejc Poklar bis zu Mikk Pinnonen — ein echter Treffer war bei den Neu- und Nachverpflichtungen nicht dabei. Und auch die in der Winterpause geholten Alexander Feld und Sergio Muggli waren zwar besser, aber doch nicht gut genug.

Mit dieser Liste, vom besten Torschützen der Vorsaison Max Bettin bis zum wohl schmerzlichsten Ausfall, dem von Dennis Marquardt als Kapitän und Kopf der Mannschaft, der seit Oktober kein Spiel mehr bestritten hat, wären auch Vereine mit einem tiefer besetzten Kader ins Trudeln geraten. In „Bestbesetzung“ hat der TSV kein einziges Spiel, ja seit August nicht einmal eine Trainingseinheit bestreiten können.

All diese Gründe bauten einen enormen Druck auf — einen Druck, dem Trainer Jörg Bohrmann irgendwann nicht mehr gewachsen war. Die einstige hessische Frohnatur verkrampfte zusehens, traf falsche Entscheidungen, die den Druck noch erhöhten, gab den Druck an die jungen Spieler weiter, die damit nicht umzugehen verstanden, selbst verkrampften und den Spaß verloren, was weiter Druck aufbaute. Ein Teufelskreis, der nur mit einem Trainerwechsel durchbrochen werden konnte. Der kam vielleicht ein paar (entscheidende) Spiele zu spät - doch hinterher ist man immer schlauer.

Hätten die Dormagener die richtigen Leistungen im richtigen Moment gegen die richtigen Gegner abgerufen, könnten sie heute tatsächlich feiern. Doch der TSV Bayer besitzt die unglaubliche Fähigkeit, sich stets dem Niveau des Gegners anzupassen: Gegen die direkten Konkurrenten spielt er schwach — und verliert deshalb. Gegen die Spitzenteams spielt er stark — und verliert trotzdem. Zusammen addiert kann das nur den Abstieg ergeben. Trainer Alexander Koke weiß um dieses „Kopfproblem“, das auch mit mangelnden Führungsqualitäten und einer daraus zu flachen Hierarchie innerhalb der Mannschaft zu tun hat. Ob er es lösen kann, wird die alles entscheidende Frage der kommenden Spielzeit in Liga drei sein.