Was der Slogan hergibt
Das Neusser Unternehmen prüft in klinischen Studien den Gehalt von Werbung.
Neuss. Neben der Creditreform findet sich an der Hellersbergstraße im Hammfelddamm das Unternehmen Profil. Das 1999 gegründete Institut für Stoffwechselforschung übernimmt für die Pharmaindustrie klinische Studien, Schwerpunkt ist die Untersuchung neuer Substanzen auf dem Gebiet des Diabetes mellitus.
Jetzt hat Profil sein Tätigkeit um eine zukunftsträchtige Abteilung erweitert: Nutritional Health heißt der Aufgabenbereich, den die Ernährungswissenschaftlerin Martina Heer leitet.
Dabei wird vor allem die Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln oder Lebensmitteln mit angepriesener Heilwirkung geprüft - zum Beispiel von probiotischem Joghurt.
Profil folgt dem Wunsch seiner Auftraggeber, die Studien möglichst schnell abzuschließen. Das gilt nicht zuletzt für ein neues Arbeitsgebiet: Probiotische Nahrungsergänzungsmittel dürfen künftig nur mit Slogans wie "stärkt das Immunsystem" werben, wenn dies klinisch nachgewiesen ist. Von Profil aus Neuss, zum Beispiel.
Und so sucht das Unternehmen in seiner 15 000 Personen umfassenden Datenbank nach Probanden, die neben vielen Voraussetzungen auch diese erfüllen müssen: keine Abneigung gegen Joghurt zu haben.
Die Ernährungswissenschaftlerin setzt eine neue Methode ein, um die Studie möglichst kurz zu halten. Martina Heer zu den Schwierigkeiten: "Die Wirkung dieser Nahrungsergänzungsmittel ist nicht so stark. Umso mehr fallen äußere Einflussfaktoren wie etwa die Ernährung ins Gewicht."
Und umso mehr muss ausgeschlossen werden, um im Zuge des Vorher-Nachher-Vergleichs ein präzises Ergebnis zu erhalten.
Jeder Proband erhält nach umfangreichen Voruntersuchungen - inklusive seines "Ruhe-Nüchtern-Kalorienumsatzes" - einen bis ins kleinste Detail ausgetüftelten Diätplan.
Beim Essen wird er vom Personal überwacht, Martina Heer spricht lieber von "begleitet": Würde er mit seinem Probandennachbarn auch nur einmal den Teller tauschen, kann die Studie hinfällig sein. Drei, vier Tage oder länger muss der Tester durchhalten, darf das Gelände nicht verlassen.
Dann wird er nach Hause geschickt, nimmt sein normales Leben wieder auf - und isst regelmäßig den probiotischen Joghurt, der gerade getestet wird. Nach vielleicht drei Monaten muss er noch einmal an die Hellersbergstraße, noch einmal mehrere Tage unter strenger Aufsicht die noch strengere Diät einhalten - dann können die Ergebnisse gemessen und verglichen werden.
"Je mehr wir standardisieren können, desto schneller haben wir Ergebnisse, desto weniger Probanden benötigen wir", sagt Martina Heer. Die Methode hat sie aus der Weltraumforschung übernommen.
Als Leiterin der Weltraumphysiologie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat sie den Wert der extremen Standardisierung schätzen gelernt.
Testpersonen unter Einfluss der Schwerelosigkeit sind nun einmal nicht aus der großen Datenbank zu finden. Martina Heer musste nicht lange suchen: Zu ihren Probanden zählte der Wissenschaftsastronaut Reinhold Ewald.