Die Zapfstationen sind ein Zeitzeugnis Noch gibt es einige historische Tankstellen in Schwelm zu entdecken

Schwelm · In Schwelm spiegeln die Tankstellen ein ganzes Stück Geschichte wider.

Die typische Shell-Tankstelle der 19050er-Jahre, hier an der Hauptstraße 191.

Foto: Sammlung Erwin Hugendick

In den 1970er Jahren gab es in Schwelm 29 Tankstellen. Aktuell sind es noch sechs. An vielen Stellen kann man die typische Architektur früherer Tankstellen erkennen, an anderen sieht man heute keine Spur mehr. Ganz im Osten der Stadt, in der Hauptstraße 191 am Brunnen, eröffnete Paul Sprafke 1954 eine Shell-Tankstelle. Der genormte Shell-Bautyp ODK verfügte über einen Verkaufsraum mit gerundeten Ecken und farblich passend gestreiften Sockeln. Links davon war eine kleine Halle für die Wagenpflege angebaut. Sprafke betrieb die Tankstelle bis 1968.

Später übernahm sie Alois Decker und nannte sie „Shell-Shopp am Brunnen“. Claudia Decker-Grote, eine der Töchter, erzählt, dass ihre Eltern am 1. Juli 1970 den Pachtvertrag mit der Deutschen Shell übernahmen. Bis dahin wurde die Tankstelle kurze Zeit von Kurt Schrader geführt. Alois Decker hatte als Kfz-Meister die Tankstelle übernommen, um einen Werkstattreparaturbetrieb aufbauen zu können. Er erkannte bald, dass eine kleine Tankstelle mit Bedienung keine Zukunft haben würde, denn zu dieser Zeit stellten die großen Mineralölfirmen bereits auf Selbstbedienung um. Daher handelte er zusätzlich mit Gebrauchtwagen und schloss im Oktober 1976 einen Händlervertrag für die Marke Mazda ab. Die Fahrzeuge verkaufte er in einem fensterlosen Nebenraum – heute unvorstellbar für einen „Showroom“. Decker einigte sich mit der Shell AG, dass eine zweite „Shell-Service-Station“ für Schwelm zu viel wäre – zumal die nächste keine 500 Meter entfernt lag - und beendete den Pachtvertrag.

Das Grundstück kaufte er den damaligen Besitzern ab, die riesigen Kraftstofftanks ließ er aus dem Boden entfernen, im Juli 1981 wurde das alte Tankstellengebäude abgerissen und ein großer Neubau errichtet. Damit verwirklichte Decker seinen Traum von der eigenen Kfz-Werkstatt mit einem Autohaus. Schon im Januar 1982 konnte Einweihung gefeiert werden. Während der Bauphase hatte er das leerstehende Tankstellengebäude an der Kaiserstraße 70 (Scholand) gemietet, um dort den Reparaturbetrieb für seine Kunden aufrecht zu erhalten. Mit der Unterstützung seiner Frau leistete er Enormes, denn er packte gleichzeitig auch beim Bau des Autohauses mit an, das in späteren Jahren vergrößert wurde. Inzwischen ist längst die zweite Generation im Unternehmen tätig. Die Töchter Claudia Decker-Grote und Barbara Spinde, die seit ihrer Kindheit an der Firmengeschichte teilgenommen haben, leiten das Autohaus.

Platz spielte damals auf der grünen Wiese keine Rolle

Eine weitere Shell-Tankstelle wurde um 1960 unter der Adresse Talstraße 40 an der neu gebauten B7, im Brachland neben der 13-Bogen-Brücke gebaut. Es gab auch hier nur zwei Zapfsäulen, doch mit äußerst geräumiger Ein- und Ausfahrt plante man offenbar für die Zukunft: Die Tankstelle lag nah an der Auffahrt zur Autobahn 1. Und Platz spielte damals „auf der grünen Wiese“ keine Rolle. Das Gelände auf der östlichen Seite war noch unbebaut, die heutige Ruhrstraße unbefestigt. Typisch für Shell war hier ebenfalls der abgerundete, fast bodentief verglaste Pavillon, der auch als Aufenthaltsraum für den Tankwart diente, sowie eine kleine Halle für Wartung, Pflege und kleine Reparaturen. Charakteristisch auch die Verblendung mit weißen Fliesen. Diese typische Shell-Tankstelle gab es als Bausatz „Klassik B 217“ von der Firma Faller für Modellbahn-Landschaften in der Größe H0. An der Talstraße unterhielt später die Firma Gerbracht ein großes Verkaufsgebäude für Wohnwagen. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Zweigniederlassung für VW-Nutzfahrzeuge und Skoda. Von der Tankstelle ist nichts mehr zu sehen, ebenso wie von der markanten 13-Bogen-Brücke, die sich einst über die B 7 spannte. Sie wurde 1990 von der Bundesbahn abgerissen. Von vier SHELL-Tankstellen in Schwelm blieb nur die Tankstelle von Hans Heinen, Hauptstraße 134, erhalten – heute eine Westfalen-Tankstelle (siehe Folge I). Es gibt in unseren Städten nur noch wenige sehenswerte Exemplare aus der Geschichte der Tankstelle zu entdecken. Auch erhaltenswerte Bauwerke und Ensembles werden selten unter Denkmalschutz gestellt. So wird wohl ein erheblicher Teil in den kommenden Jahren für immer verschwinden. Aber noch gibt es einige zu entdecken.