„Zweiklang!“ im Robert-Schumann-Saal Die Musiker überzeugen, die Schauspielerin nicht
Düsseldorf · Sophie von Kessel las im Schumann-Saal aus Stefan Zweigs „24 Stunden im Leben einer Frau“. Die Schauspielerin wirkte anfangs seltsam emotionslos.
(go) Ein dichterisches Meisterwerk, gelesen von einer als feinfühlig bekannten Schauspielerin: Die Erwartungen waren hoch vor Sophie von Kessels Rezitation „24 Stunden im Leben einer Frau“. Zumal das Frankfurter Southern Skies Piano Trio sie zu Stefans Zweigs Erzählung begleiten würde. Die Reihe „Zweiklang! Wort und Musik“ im Schumann-Saal hat einen glänzenden Ruf. Zu Recht. Deshalb sollte verdeutlicht werden, dass dieser Abend aus dem üblichen Rahmen fiel. Nicht, was die Qualität der Musik betrifft. Nico Hering, Bastian Weinig und Andreas Neubauer spielten wunderbaren Jazz mit stimmig ausgewählten, die Handlung untermalenden Stücken wie „La vie en rose“, „The Lady is a Tramp“ oder „Smile“.
Von Kessel betrat das Podium an der Seite des Trios. Begrüßte aber nicht, wie es guter Brauch ist, das froh gestimmte Publikum, sondern sagte nur den Titel ihrer Lesung an. Und ratterte los, im Eilzugtempo. Die Schauspielerin wirkte angespannt und seltsam emotionslos. Sie verhaspelte sich erstaunlich oft, fand sehr spät erst zu einer angenehmen Modulation und setzte Pausen, wo sie nicht hingehörten. Dann endlich ließ sie die atmosphärisch dichte Erzählung erblühen und in ihrer ganzen Tragik sichtbar werden.
Berichterstatterin ist eine früh verwitwete Frau von 42 Jahren. Voller Schmerz über den Verlust des geliebten Mannes, erscheint ihr das Leben unnütz. Mit Reisen versucht sich die wohlhabende Engländerin abzulenken. Im Casino von Monte Carlo beobachtet sie die Spieler am Roulettetisch und ist auf Anhieb hypnotisiert von den magischen Händen eines sehr jungen Mannes. Deren bildhafte, sprachgewaltige Beschreibung ist ein Hochgenuss.
An dieser Stelle wird der Sog von Zweigs Geschichte allmächtig und hält die Spannung bis zum bitteren Ende. Diese Frau durchlebt in 24 Stunden alle Stadien der Gefühle: Leidenschaft, Zorn, Ekstase, Begehren, rasende Wut. Besessen von der Rettung des Spielsüchtigen, würde sie ihm alles opfern, wenn er nur davon ablassen könnte. Wenn diese Rezitation eines geschafft hat, dann dies: Man hat große Lust bekommen, den literarischen Schatz von Stefan Zweig neu zu entdecken.
Am 27. März um 17 Uhr gastiert Peter Simonischek mit Joseph Roths „Die Legende vom heiligen Trinker“ bei „Zweiklang!“. Die „Österreichischen Solisten“ spielen Musik von Edith Piaf und Erik Satie.