Böll schielt auf die Berlinale
Horror-Film: Der Experimental-Streifen aus Sprockhövel ist fertig, läuft aber nun doch nicht am 20. Juni im Baumhof.
Sprockhövel. Mit den Geräuschen einer alten Propellermaschine und dem Turm der Zwiebelturmkirche als Kanzel zieht das Raumschiff "Zwiebelturm" am Jupiter vorbei. So beginnt der Gruselfilm "Fluch des Vergessens", den der Sprockhöveler Regisseur Christoph Böll mit Jugendlichen aus dem Jugendzentrum entwickelt und gedreht hat.
Am Schnittplatz in seinem Privathaus führte der Neffe von Heinrich Böll den 40-Minuten-Streifen der WZ exklusiv das erste Mal vor. So viel kann schon verraten werden: Es wird Horror mit viel Augenzwinkern - echt trashig. Durch Mini- Klodeckel, die sich am Raumschiff öffnen, schwärmen kleine Kampfflieger aus, es gibt lang gezogene Schreie wie in "Scream".
"Wir haben viele Anspielungen auf alte Science-Fiction-Filme der 60er und 70er Jahre eingebaut", erklärt Drehbuchautor Stefan Keim. Mit Böll und den Jugendlichen hat er den Film entwickelt und auch selbst zwei Rollen übernommen. Den jüngsten Plan, den Film am kommenden Freitag vor dem EM-Public Viewing im Baumhof auf Großbildleinwand zum ersten Mal zu zeigen, haben er und Böll wieder aufgegeben.
"Fußball und Horror, das ist doch nicht die richtige Kombination", sagt der Regisseur. Schließlich hofft er noch auf höhere Weihen. Er hat den Film persönlich bei Berlinale-Chef Dieter Kosslick - einem erklärten Low-Budget-Film-Fan - abgegeben. "Wenn wir im Generation-plusProgramm der nächsten Berlinale laufen würden, das wäre natürlich der Adel."
Wie man mit wenig Geld viel Film macht, das haben Böll und Keim mit großer Eigeninitiative bewiesen. Nachdem die erhofften 50.000 Euro von der NRW-Filmstiftung nicht kamen, retten einige kleinere Sponsoren wie Sparkasse und Lions mit insgesamt 6000 Euro das Projekt "Fluch des Vergessens" davor, ganz in Vergessenheit zu geraten. "Das hätten wir den Jugendlichen auch nicht antun können, es hat mich persönlich total motiviert, mit welcher Ausdauer die dabei geblieben sind", versichert Keim.
Er spielt den außerirdischen Raumschiffkommandanten, den es nach der Angst der entführten Jugendlichen hungert. Doch die durchschauen das und lassen sich trotz blutiger Grausamkeiten immer weniger einschüchtern. Ihr Pech: Als das Raumschiff sie wieder auf der Erde absetzt, sind sie aus dem Gedächtnis ihrer Angehörigen gelöscht.
"Tochter? Ich habe keine Tochter", erwidert Frau Kronenberg (Jugendzentrumsleiterin Ute Feldmann spielt eine Filmmutter) auf die aufgeregte Frage des Radio-Reporters. Presse und Polizei hatten vom mysteriöse Verschwinden der Jugendlichen erfahren.
Auf Maske, professionellen Ton und Spezialeffekte muss der Zuschauer trotz Niedrig-Budget nicht verzichten. Kern bleibt jedoch die Idee, wie Jugendliche ihre eigenen Filmvorstellung umsetzen. Davon erzählen sie im Vorspann. "Diese Szenen sind am 6.Juni 2005 gedreht", erinnert sich Böll noch gut an die Anfänge vor genau drei Jahren.
Viel länger auf die Folter spannen will er seine jungen Schauspieler ebenso wie das Publikum allerdings trotz Berlinale-Plänen nicht mehr. Für eine Vorabschau hat er das Bochumer-Union-Kino ("Ich kenne den Chef") ins Auge gefasst. "Die könnte nach den Sommerferien laufen."