Leuchten die Straßenlaternen bald nur noch mit Atomstrom?

Eine europaweite Ausschreibung soll billigstes Angebot ohne Rücksicht auf die Erzeugungsweise des Stroms ermitteln.

Sprockhövel. Die Ausgangslage ist denkbar einfach, die Lösung dagegen höchst kompliziert. Zum Ende des vergangenen Jahres hat die AVU den bestehenden Stromliefervertrag für die kommunalen Liegenschaften und die Straßenbeleuchtung der Stadt fristgerecht gekündigt.

Als Grund gibt die AVU an, der Vertrag sehe Lieferpreise vor, die unter den Beschaffungskosten lägen und daher unwirtschaftlich seien. Gleichlautende Schreiben gingen an alle Kommunen des Ennepe-Ruhr-Kreises, die sich seinerzeit an einer Bündelungsausschreibung für die Stromlieferung beteiligt haben.

Die Folge: Es muss eine neue Ausschreibung erfolgen. Diese wird für alle beteiligten Kommunen federführend von der ZGS durchgeführt.

Dieser Ausschreibung voran gestellt ist die politische Beschlussfassung über die Kriterien, die die Stromlieferanten erfüllen müssen. Dazu kam es zunächst im Betriebsausschuss zu längeren Diskussionen.

„Wir haben nicht nur über das reine Geld nachgedacht“, erläuterte ZGS-Leiter Ralph Holtze die beiden Ausschreibungsalternativen, die einerseits eine möglichst billige Lösung, andererseits die — allerdings teurere — Lieferung von Ökostrom vorsehen.

Mit dem Satz „100 Prozent Atomstrom wollen wir uns doch nicht antun, liebe Leute“ eröffnete Franz-Josef Gottschalk von den Grünen einen Angriff, der die Vertreter der anderen Parteien geschickt in die Enge trieb.

Eigentlich war erkennbar, dass die Mehrheit im Ausschuss die kostengünstigste Lösung bevorzugte, aber offenkundig wollte sich niemand als Atom-Befürworter vorführen lassen. So vertagte der Ausschuss seine Entscheidung, zumal auch noch Informationsbedarf darüber bestand, wie genau die europaweite Ausschreibung funktioniert.

Die Entscheidung fiel dann in der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag — eine Enttäuschung für Franz-Josef Gottschalk. Die Entscheidung des Rates, die Ausschreibung der Stromlieferung für kommunale Liegenschaften und die Straßenbeleuchtung der Stadt ab 2013 ohne Ökostrom erfolgen zu lassen, ließ ihn mehrfach den Kopf schütteln.

„Natürlich ist Ökostrom leicht teurer, aber es gibt auch noch Einsparpotenzial im Umgang mit Energie. Da sollten wir ansetzen“, intervenierte er — allerdings ohne Erfolg.

Mit den Stimmen der anderen Parteien wurde beschlossen, bei der Ausschreibung für Strom auf einen expliziten Ökostromanteil zu verzichten. Ökostromanbieter können zwar an der Ausschreibung teilnehmen, müssen sich aber dem Wettbewerb stellen. „Haushalt vor Umwelt“ lautete das Credo der anderen Parteien.

„Der Haushalt hat Vorrang“, betonte Erwin Peddinghaus (FDP). Klaus Knippschild von der SPD ergänzte: „In der augenblicklichen Haushaltsituation sind mögliche Mehrkosten von 12 000 Euro durch die Nutzung von Ökostrom nicht leistbar.“

Ein von der Stadt beauftragtes Ingenieurbüro hatte errechnet, dass sich die Mehrkosten für eine Komplettversorgung der hiesigen Liegenschaften mit Ökostrom auf zirka 12 000 Euro pro Jahr belaufen könnten.

„Das ist nicht bewiesen“, argumentierte Britta Altenhein (Grüne), „diese Entscheidung stößt all’ diejenigen vor den Kopf, die nach Fukushima Strom sparen und sich für Ökostrom aussprechen.“ Und Franz-Josef Gottschalk fügte hinzu: „Die Energiewende sollte nicht an Sprockhövel vorbeigehen.“

Im Gegenzug wies Ralph Holtze von der ZGS darauf hin, dass die Stadt in der Vergangenheit bereits viel Geld durch energetische Maßnahmen gespart habe und durchaus ihren Teil geleistet habe. Dazu Gottschalk: „Wir haben jetzt im Rathaus Ökostrom und ab 2013 nicht mehr — das ist doch eine Rolle rückwärts, die wir hier machen.“