Sie sprechen Erdbeer-Sprache
Saisonkräfte: Dirk Gelbrich setzt polnische Erntehelferinnen auf seinen Erdbeerfeldern ein. Der Kontakt hat sich über Jahre entwickelt.
Herzkamp. Erdbeerzeit, das heißt für Bogumila Hydzik und Anna Czyz aus dem polnischen Svidniza bei Breslau seit fünf Jahren immer Kofferpacken und auf nach Herzkamp. Als Erntehelferinnen setzt Landwirt Dirk Gelbrich die beiden Frauen seitdem auf seinen Erdbeerfeldern ein.
Momentan hocken sie täglich mehrere Stunden in den Pflanzreihen und ernten die ersten süßen Früchte der Saison. In schnellem Tempo arbeiten sich die beiden Frauen im Entengang durch die Reihen, auch wenn die Ausbeute derzeit noch bescheiden ist. Die Haupterntezeit beginnt erst.
"Das ist eine schwere Arbeit, auf dem hiesigen Arbeitsmarkt waren dafür einfach keine verlässlichen Kräfte zu finden", sagt Dirk Gelbrich fast entschuldigend. Deutsche 400-Euro-Kräfte setzt er nur zum Erdbeerverkauf ein. Zu Bogumila und Anna habe sich längst ein tiefes Vertrauensverhältnis aufgebaut.
Sie wohnen in einer kleinen Wohnung am Hof, und wenn Annas Tochter und eine Freundin zum Wochenende zur Verstärkung kommen, dann steht für sie ein Wohncontainer bereit.
Der Kontakt entstand zufällig, als Gelbrich vor Jahren mit Bogumilas inzwischen verstorbenem Mann, der damals an der Elfringhauser Gemüsescheune arbeitete, ins Gespräch kam.
"Wenn du Hilfe brauchst, ruf an, hat er damals gesagt." Für Dirk Gelbrich war dieser Punkt schnell erreicht. Die Erdbeeren sind für ihn zum wichtigen Zusatzgeschäft neben der Milchwirtschaft geworden. Als er den Anbau langsam bis auf die heutigen rund sechs Hektar steigerte, war das mit Eltern und Geschwistern allein nicht mehr zu schaffen.
"Von billigen Arbeitskräften" will Gelbrich in diesem Zusammenhang nichts wissen. "Die Polinnen sind nicht billiger, aber besser." Außerdem gälten ganz normale deutsche Arbeitsbestimmungen wie 40-Stunden-Woche und Sozialabgabenpflicht.
Um wie viel der von ihm gezahlte Stundenlohn den allgemein vereinbarten Mindestbetrag von 5,17 Euro brutto übersteigt, verrät Gelbrich nicht. Anna hat aber einmal gesagt:
"Zwei Monate Arbeit in Deutschland heißt, zehn Monate in Polen Prinzessin sein." Dort sitzt die 39-Jährige normalerweise in einem Supermarkt an der Kasse. Bogumila (46) arbeitet in einer Fabrik für Flachbildschirme. Ihr Verdienst dort ist viel niedriger als beim, wie sie sagen, "Arbeitsurlaub" in Deutschland.
Beide haben zu Hause jeweils zwei Kinder. Die sind aber schon erwachsen - keine Trennungsprobleme also. Probleme in Deutschland macht nur die Verständigung, denn deutsch sprechen beide kaum.
"TV und Kassetta", antwortet Anna lächelnd auf die Frage, was sie nach Feierabend so machen. Spaziergänge? "Ja, auch", ergänzt Bogumila. Mit Dirk Gelbrichs Ehefrau Heike fahren beide jeden Samstag zum Einkaufen, um sich die Verpflegung für die Woche zu besorgen.
Ab und zu kommt auch ein Freund von Bogumilas verstorbenem Mann aus Hattingen, der mit beiden etwas unternimmt und für Dirk Gelbrich als Dolmetscher fungiert. "Ansonsten haben wir unsere Erdbeer-Sprache entwickelt. Das klappt ganz gut", sagt er. Bogumila und Anna nicken und wenden sich wieder den roten Früchten zu.