Selbsthilfe-Tag: Der Teufel bietet Beistand an

Ob Drogenproblem oder Essstörung – Selbsthilfegruppen wollen Betroffene aus der Isolation führen.

Sprockhövel. Diese Teufelin hat am Samstag wohl kein Besucher des Selbsthilfetags in der Glückauf-Halle übersehen. Als wandelnde Provokation mit Teufelsgesicht aber verführerischem Ballkleid bot Anne Henze in ihrem Bauchladen bunten Drops an.

Hier war es nur Brause, doch genauso sehen Designerdrogen aus, zu denen immer mehr Jugendliche greifen. "Seht Euch vor, Drogen sind verführerisch" - war jedoch nicht ihre einzige Botschaft. Die lautete auch: "Traut, euch, euch anzuvertrauen."

Anne Henze hat sich getraut und ist sehr schnell dem Hattinger Elternkreis drogengefährdeter und drogenabhängiger Jugendlicher beigetreten, als sie merkte, wie sich ihre 18-Jährige Tochter veränderte und als Ursache ein Drogenproblem erkannte.

"Sich gegenseitig Mut zusprechen und vor allem Erfahrungen auszutauschen", das hat mir sehr geholfen." Voraussetzung war, mit dem eigenen Problem nach außen zu gehen.

Exemplarisch gilt das für alle Gruppen, der inzwischen großen Selbsthilfe-Landschaft in Hattingen und Sprockhövel. "Wer gibt schon gern zu, dass sein Kind auffällig ist oder dass man wegen eines Magenproblems alle 15 Minuten auf Toilette muss"unterstrich das Sabine Wagener von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KISS) Hattingen.

Die KISS organisiert zusammen mit der Hattinger Selbsthilfekonferenz alle zwei Jahre den Selbsthilfetag, auf dem sich die Gruppen präsentieren können.

48, von den Anonymen Alkolikern über Morbus-Crohn-Betroffene oder die Schwulengruppe "aMannda" bis zum Weißen Ring für Kriminalitätsopfer waren diesmal der Einladung gefolgt.

An Aktionen fehlte es nicht. Künstlerin Friederike Hapel hatte ein eigenes Plakat entworfen und einen Selbsthilfe-Song komponiert, der auf CD für den guten Zweck verkauft wurde. Blinde und Sehbehinderte luden ins Café Schwarz - absolut ohne Tageslicht.

Die Hobekids - Eltern hoch Begabter Kinder - hatten entsprechendes Spielmaterial beigebracht und am Stand der Bärenapotheke konnte man Blutdruck, Blutzucker und Cholesterin messen lassen.

Essstörungen und Diabetes - auch darüber können sich Betroffene selbstverständlich in Selbsthilfegruppen austauschen und dort Rat holen.

120 Selbsthilfegruppen gibt es inzwischen in Hattingen und Sprockhövel. Noch vor fünf Jahren waren es nur 70, vor 15 Jahren haben wird mit neun angefangen." Für Marianne Zetzsche, die vor 15 Jahren die Hattinger Selbsthilfekonferenz als Forum von Selbsthilfegruppen ins Leben rief, ist das ein Beleg dafür, wie groß der Bedarf und wie wichtig ihre Arbeit ist.

Neue Beispiele: Eine Gruppe für Kinder von Drogenabhängigen. Wenn eine Gruppe zu klein ist, um an öffentliche Unterstützung zu kömmen, hilft teilweise die KISS.

Getragen wird die Arbeit in den Gruppen ausschließlich von Ehrenamtlichen. Helfer zu finden - auch aus dem Kreis nicht Betroffener - hat sich die Hattinger Freiwilligenagentur auf ihre Fahnen geschrieben. Auch Heike Scheufens hatte dort angefragt, wo sie vielleicht etwas tun könne.

"Ich wollte mich engagieren und helfe nun im Blinden- und Sehbehindertenverein aus", sagte sie. Rund 200 Ehrenamtliche hat Andreas Gehrke in den zwei Jahren des Bestehens der Agentur vermittelt.

Gehrke ist Angestellter der Stadt. In Sprockhövel würde man in Kürze auch gerne eine solche Agentur gründen, allerdings auch mit einem ehrenamtlichen "Kümmerer".

Anne Henze ist froh, dass sie sich sehr schnell gekümmert hat. "Ihre Tochter gilt inzwischen als "clean". Das Problem jedoch besteht generell weiter. "Die heutigen Drogen machen viel schneller abhängig als früher", sagt sie.

Auch ein Grund, weiter in der Selbsthilfegruppe Rat und Beistand zu leisten - und zu warnen.