Uraufführung von „Dark Matter“ Daheim in zwei Kulturen

Düsseldorf · Die österreichische Schauspielerin Vidina Popov spielt die Hauptrolle in der Uraufführung von „Dark Matter“ an diesem Sonntag in der Tonhalle.

Die Schauspielerin Vidina Popov hat bulgarische Wurzeln, fühlt sich in Deutschland und Österreich gleichermaßen zu Hause.

Foto: Tonhalle/Tassilo Rüster

In „Dark Matter“ feiert am kommenden Sonntag beim Festival „Schönes Wochenende“ ein außergewöhnliches Projekt seine Uraufführung in der Tonhalle. Die Mischung aus Theater, Konzert und Oper wird als „ein Urknall für Schauspielerin, Instrumente und Visuals“ angekündigt. Der Düsseldorfer Bojan Vuletic komponierte die Musik, der israelische Autor Shlomo Moskovitz schrieb den hochdramatischen Text. Die Geschichte eines schmerzlichen Verlustes mündet in die Hoffnung, ein Miteinander über Grenzen und Kriege hinweg sei möglich. Der Terrorüberfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 wird nicht direkt thematisiert, schwingt jedoch spürbar mit.

Auf der Bühne musizieren die Solisten Alina Bercu (Klavier), Egor Grechishnikov (Violine), Nikolaus Trieb (Violoncello) und Christoph Schneider (Klarinette). In die Komposition eingebettet ist der Monolog einer israelischen Astrophysikerin, die in der Atacamawüste in Chile schwarze Löcher erforscht und nach der im Universum verborgenen gewaltigen Energie dunkler Materie sucht. Den Part der Schauspielerin übernimmt Vidina Popov. Bis 2024 gehörte die Österreicherin (32) zum Ensemble des Maxim-Gorki-Theaters. Mit „Slippery Slope“ von Yael Ronen wurde sie 2022 zum Theatertreffen eingeladen, ein Ritterschlag. Warum hat sie die Berliner Bühne verlassen? „Um mehr Zeit für Projekte wie dieses zu haben“, antwortet sie. „Nach sieben Jahren ist es ganz normal, ein neues Kapitel aufzuschlagen.“

Fernsehzuschauern dürfte Popov aus diversen Krimireihen bekannt sein, darunter „Soko“, „Tatort“ und dem „Lissabon-Krimi“, wo sie an der Seite von Jürgen Tarrach die Hauptrolle spielt. In „Alice“, dem Biopic-Zweiteiler über Alice Schwarzer, war sie als Freundin der Titelheldin dabei. Seit zehn Jahren tritt sie in Berlin in ihrem eigenen Solo „Ich bin Bulgare?!“ auf. „Ich habe das Stück im Studium geschrieben. Immer wenn ich denke, ich lasse es los, ist es mir doch wieder eine große Freude, es zu spielen“, sagt sie.

Architektur ist wie
geschaffen für „Dark Matter“

Ihre bulgarischen Wurzeln bedeuten ihr viel, obwohl ihre Eltern die Heimat früh verlassen haben und Vidina in Wien geboren wurde. Der Vater war Leichtathletik-Staatstrainer für Bulgarien und auch für Österreich, betreute ein halbes Dutzend Olympische Spiele. Färbte die Passion für Sport auf die Tochter ab? „Man merkt schon, dass ich sein Kind bin“, vermutet sie. „Ich bewege mich gern, auch in meinen Arbeiten. Körperlichkeit auf der Bühne ist mir wichtig. Und Theaterspielen kann genauso ein Leistungssport sein.“

Auf Düsseldorf und „Dark Matter“ ist sie gespannt. Wie kam es zu der Kooperation? „Bojan Vuletic kannte mich über eine befreundete Regisseurin. Er suchte eine musikaffine Schauspielerin und dachte, das passt.“ Tatsächlich gibt Popov öfter auch Konzerte als Sängerin, war bisher aber noch nie in der Tonhalle. „Erst jetzt, bei den Proben“, berichtet sie: „Ein faszinierender Raum, ich bin schon sehr aufgeregt.“

Die Architektur ist wie geschaffen für „Dark Matter“. Mit der Kuppel wird die Weltraumthematik aufgegriffen. Bojan Vuletic, mit Christof Seeger-Zurmühlen Schöpfer und Leiter des Asphalt-Festivals, kennt sich genau aus in der Materie. Bevor Musik und Theater zu seinem Lebensmittelpunkt wurden, schloss er ein Studium der Astrophysik mit einer Diplomarbeit über Galaxien-Entwicklung ab. „Videoprojektionen auf der Bühne unterstützen die Handlung“, sagt die Schauspielerin, „sie machen den Saal ganz magisch. Man schaut in den Himmel und die Sterne.“

Ihre Rolle falle aus dem Rahmen der üblichen Theaterarbeit. „Eine sehr interessante Herausforderung. Ich spiele nicht so frei wie sonst, die Sprache wurde exakt auf die Musik abgestimmt, mit der ich im ständigen Dialog bin“, beschreibt sie. Astrophysikerin Noga sitzt an einem der einsamsten und trockensten Orte der Erde. Sie erklärt sich ihre Welt rein aus Formeln und Gesetzen. Dann findet sie zu ihrer eigenen Verwunderung in Na’ama einen neuen Fixstern ihres Daseins.

„Die beiden Frauen verlieben sich“, erzählt Popov: „Für Noga ist es eine völlig neue Erfahrung, Emotionen zu spüren und sich zu einem Menschen hingezogen zu fühlen.“ Sie lacht: „Das krasse Gegenteil von mir, wo ich doch immer von Gefühlen bestimmt bin in meiner Arbeit. Ich liebe Rollen, die ich mir erst erschließen muss.“ Als der Kontakt zu Na’ama eines Tages plötzlich abbricht, stürzt Noga ins Chaos. Sie macht sich auf, nach ihrer verschollenen Liebe zu suchen, deren letztes Lebenszeichen aus einem Kibbuz in Israel kam. Darf man auf ein glückliches Ende hoffen? „Herkommen und anschauen“, empfiehlt sie.

Nur eine Woche nach „Dark Matter“ moderiert Vidina Popov die Verleihung zum Theaterpreis „Faust“ in Berlin, gemeinsam mit der Journalistin Maria Popov, verwandt sind die beiden nicht. Nominiert ist auch André Kaczmarczyk vom Schauspielhaus mit „Richard III.“. Daneben erarbeitet sie ein kleines Stand-up-Programm für die österreichische Botschaft und dreht in ihrer Heimat für das neue Krimiformat „Lasser ermittelt“. Das werde ein lustiger Krimi ohne Leiche, verspricht sie.

Auch wenn sie künftig frei arbeitet, wird sie weiterhin in Berlin wohnen bleiben. „Die Stadt ist ein Zuhause für viele, die ihre Wurzeln woanders haben“, sagt Popov. „Ich bin dort umgeben von der Balkan-Community und österreichischen Landsleuten. Sich in zwei Kulturen heimisch zu fühlen, ist ein großes Geschenk.“