Nach den vielen Absagen: Gibt es noch irgendwo Karneval am Niederrhein, oder ist für diese Session flächendeckend jede Veranstaltung gecancelt worden?
Frank Schreiber, Präsident des Regionalverbandes Linksrheinischer Karneval „Karneval im Sommer geht gar nicht“
Interview · Eine Session ohne Helau: Der Präsident des Regionalverbandes Linksrheinischer Karneval zur Situation der Vereine.
Die Fragen stellte Dirk Möwius
Frank Schreiber: Nach meinen Kenntnissen haben alle Karnevalsvereine in meinem Verbandsgebiet ihre Veranstaltungen weitestgehend freiwillig abgesagt, zumindest die Indoor-Veranstaltungen. Die meisten Vereine und Stadtverbände haben auch bis dato die Karnevalsumzüge abgesagt, da es leider keine Planungssicherheiten gibt. Allerdings gibt es ein paar wenige Ausnahmen, die noch abwarten wollen.
Wie könnte denn Straßenkarneval in diesen Pandemiezeiten aussehen? Im vergangenen Jahr gab es kreative Lösungen — den Karneval als „Autokino“-Variante oder Streaming-Angebote. Wie sieht das aktuell aus?
Schreiber: Auch hier ist es für die meisten Vereine nicht möglich, Veranstaltungen zu planen, da die Auflagen massiv ins Geschehen eingreifen. Man denke nur an Sicherheitskonzepte und Corona-konforme Bestimmungen. Um die alle umsetzen zu können, bedarf es viel Geld und Personal. Diese Risiken werden wohl die wenigsten Vereine auf sich nehmen wollen oder können. Aber es gibt in einigen wenigen Vereinen Planungen über Ersatzlösungen in mehr oder weniger kleinen Rahmen. So die Karnevalstüten-Aktion der KG Fidelio in Moers oder eine Drive-In-Veranstaltung der KG Verberg und der Prinzengarde der Stadt Krefeld.
Wie ist denn die wirtschaftliche Lage der Vereine?
Schreiber: Wie die direkte finanzielle Lage bei den Vereinen aussieht, vermag ich nicht zu benennen. Sicherlich haben die Vereine in der vergangenen Session finanziell einiges auf sich nehmen müssen, was sich in dieser Session wieder etwas anders darstellt. Die Landesregierung hat für diese Session den Vereinen aus einem Sonderfonds finanzielle Unterstützung zugesagt, sofern diese ihre Veranstaltungen freiwillig absagen. Somit dürfte es in diesem Jahr die Vereine nicht so hart treffen.
Wichtiger Aspekt im Karneval ist die Jugendarbeit. Funktioniert das noch, wenn die Garden zwar hart trainieren, aber nirgendwo mehr zeigen können, was sie so draufhaben?
Schreiber: Das Thema Jugendarbeit in den Vereinen in dieser schweren Zeit ist wohl nicht das leichteste. Die Vereine sind allesamt bemüht, die Jugend trotz ausgefallener Session in den Vereinen zu halten. Die Tanzgarden haben auch für diese Session wieder hart trainiert und stehen nun wieder einmal vor einem leeren Terminkalender. Wenn sich die Pandemie nicht bald in eine Endemie wandelt, dann könnte es wirklich schwierig werden, die Jugend in den Vereinen zu halten. Im Sommerbrauchtum Schützenwesen beklagen schon viele Vereine reihenweise Austritte, wie ich gehört habe. Wollen wir nicht hoffen, dass es eines Tages im Karneval zu großen Verlusten bei den Mitgliedern kommt. Denn was wären wir ohne unsere Jugend, die unser schönes Brauchtum weiterführt und die Geschichte Karneval weiterschreibt?
Karneval im Sommer feiern, in Düsseldorf will man ja diesen Weg gehen: Wie steht der RLK dazu?
Schreiber: Karneval im Sommer geht meiner Meinung nach gar nicht. Karneval beginnt am 11.11. und endet am Aschermittwoch. Es hat wohl auf Grund von Stürmen an den Umzugstagen eine Verschiebung der Umzüge gegeben, was vielleicht auch nicht im Sinne des Karnevals ist, aber eine Verschiebung der Sitzungen in den Sommer hinein ist für mich keine Option. Die Satzung des BDK besagt, dass vor dem 11.11. eines Jahres und nach dem Aschermittwoch des Folgejahres keinerlei karnevalistische Veranstaltungen stattfinden. Karneval betrachtet der BDK als ein Kulturgut, das sich definiert als ein Jahrhunderte altes Fest im christlichen Jahreskreis vor der jeweiligen Fastenzeit vor Weihnachten (11.11. – sechs Wochen bis zum 24. Dezember) und vor Ostern (Aschermittwoch ist sechs Wochen vor Ostern).
Fühlen Sie sich von der Politik fair behandelt? Wäre nicht ein Verbot von Karnevalsveranstaltungen durch die Landesregierung der einfachere Weg gewesen?
Schreiber: Sicherlich wäre eine klare Absage durch die Regierung für die Vereine einfacher gewesen, aber das wurde wohl seitens der neuen Landesregierung geändert. Letztendlich hat es aber für die Künstler den Vorteil, dass sie bei festen Verträgen zumindest einen großen Teil ihrer Gage bekommen.