Für seinen Zero-Kollegen Otto Piene hat er einmal einen Geburtstagskuchen genagelt. Mit Heinz Mack hat er nicht nur wichtige künstlerische Neuanfänge, sondern auch halsbrecherische Autofahrten in der Nacht unternommen. Sammler Robert Rademacher hat ihm trotz großen Widerstands irgendwann doch das Nagelrelief „Organische Struktur“ von 1960 abgetrotzt. Und der Vater von Felix Krämer, ein bekannter Fotograf, kannte Günther Uecker schon vor der Geburt des Museumschefs und hat ihn 1965 wie einen Star porträtiert.
Uecker, der an diesem Donnerstag 95 Jahre alt wurde, ist ein glücklicher, wenn auch erschöpfter Mensch. Soeben hat er nach sieben Jahren die Fenster im Schweriner Dom vollendet. Bald wird er auf Einladung des Botschafters nach Tadschikistan reisen, um seinen Hafis-Zyklus zu zeigen. Und in seiner Werkstatt am Hafen trocknen sechs riesengroße Aquarelle auf Leinwand, die tief blau schimmern. Von ganz licht bis schwarzblau gehen die Farbwerte, das Meer bildet fast keine Wellen mehr, sondern schollenartige Fragmente. Das Wasser, so sagt Uecker, biete ihm eine Reflexionsebene. Es erinnere den an der Ostsee aufgewachsenen Künstler daran, woher er kommt.
Das Blau durchtränkt hoffnungsfroh Ueckers Alter und verleiht auf den mit Lichtbögen versehenen Fenstern im gotischen Dom seiner dem Himmel zugewandten Art Ausdruck. Das Blau als absolute Größe und physikalische Schwingung vermag die Lasten des Alters zu mildern, womöglich die eigenen gesundheitlichen Beschwerden zu verdrängen – wie die seiner geliebten Ehefrau Christine. Sohn Jacob ist Günther Uecker die größte Stütze im Alltag neben seinem Assistenten und den besten Freunden aus Oberkassel, die beide Ärzte sind.
Viel mehr Freunde noch und Wegbegleiter, Sammler, Politiker, Kollegen und Museumsmenschen hat Uecker in seinem bewegten Leben um sich versammelt, die ihn treu begleiten, sein Werk kommentieren und auf vielen seiner Lebensstationen zur Seite stehen.
Die Zero Foundation hat den Geburtstag zum Anlass genommen, um Stimmen und Dokumente dieser Begegnungen einzuholen, Leihgaben zu organisieren. Aus all dem sind zwei Dinge entstanden: ein Freundschaftsbuch und eine Ausstellung im Haus der Düsseldorfer Stiftung, wo Uecker in den frühen 60er-Jahren sein Atelier unterhielt.
Zero – das steht für eine Zeit der Jugend, des Aufbruchs, der Kompromisslosigkeit, des Experiments, des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg. Gegründet 1958 von Otto Piene (gestorben 2014) und Heinz Mack (94), stieß Uecker 1961 dazu. Bis 1966 traten die Künstler als aktivistische Gruppe gemeinsam auf, so unterschiedlich sie in ihrem Stil auch waren. Fast 60 Jahre sind seitdem vergangen, doch die Bedeutung von Zero als ein von Düsseldorf ausgehendes europäisches Künstlernetzwerk wurde 2008 durch die Gründung der Stiftung zementiert. Ein einmaliger Triumphzug durch internationale Museen von New York aus startend folgte, die Preise von Zero-Kunst aus Düsseldorf stiegen exponentiell, Zero wurde zur beachteten Marke der jüngeren Kunstgeschichte.
In Ueckers Leben war Zero nur eine von vielen fruchtbaren Episoden. Sein Instinkt, seine Neugierde, sein Wissensdrang und Forschergeist, seine Aufgeschlossenheit und Humanitätsbestrebungen trieben ihn zu Menschen und Kulturkreisen in die ganze Welt. Seine Formen und Formate wurden immer variantenreicher, vom stilbildenden ikonografischen Stahlnagel bis hin zum geschriebenen Bild, das, wenn man dem Künstler zuhört, wie ein Liebesbrief vom Wind über die Berge verweht werden darf.
Zeugen dieser bewegten Zeit melden sich nun erzählend zu Wort, prominente Politiker wie Joachim Gauck und Norbert Lammert, berühmte Kollegen wie Ulrich Erben und Felix Droese, Museumschefs wie Marion Ackermann und Felix Krämer, Sammler wie Gil Bronner und Robert Rademacher, Schriftstellerfreundin Ingrid Bacher, nicht zuletzt Zero-Förderer wie Claus Gielisch und Jürgen Wilhelm. Berührende Einträge gibt es in diesem Poesiealbum, wie von Friderike Bagel, die im Abstand von 53 Jahren zwei Hände gezeichnet hat.
Die Witwe von Gotthard Graubner schreibt: „In… Erinnerung an… unvergessliche Zeiten. Kitty“. Till Breckner und Afshin Derambakhsh, die Ueckers internationale Aktivitäten mit ihrem Verlag fördern, gratulieren mit persischer Poesie. In seiner britischen trockenen Art drückt Cragg fettgedruckt seine Glückwünsche aus: „Günther Uecker ist ein wichtiger, großartiger Künstler und ein einflussreicher, vielgeliebter Lehrer.“