Vortrag „Chaos und Entropie“: Warum strömt Gas aus der Flasche, aber nicht hinein?
Vortrag über „Chaos und Entropie“ erklärt physikalische Prozesse anhand von anschaulichen Beispielen aus dem Alltagsleben.
Wuppertal. Was passiert, wenn man kalte Milch in heißen Kaffee gießt? Er verändert die Temperatur und wird kühler. Was im Alltag eine Selbstverständlichkeit ist, gehört zum Forschungsthema von Prof. Dr. Barbara Rüdiger-Mastandrea. Sie ist Professorin an der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften für angewandte Mathematik und Stochastik an der Bergischen Universität Wuppertal.
In der Vortragsreihe UniTal berichtet Prof. Dr. Rüdiger-Mastandrea am Donnerstag, 6. Juli, über „Chaos und Entropie - Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, dargestellt an Beispielen aus dem Alltagsleben“. Dabei erklärt sie anschaulich, welche bahnbrechende Idee der österreichische Physiker und Philosoph Ludwig Eduard Boltzmann (1844-1906) hatte. Als Physiker bereitete er den Boden für die späteren Erkenntnisse der Relativitätstheorie und Quantentheorie.
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik war schon vor der Geburt von Ludwig Boltzmann bekannt. Er besteht aus drei Sätzen, um die Thermodynamik zu erklären - und diese sind schwer zu erklären, bestätigt Prof. Rüdiger-Mastandrea, die lange Zeit das Gefühl hatte, die Sätze nicht verstanden zu haben. Erst viel später habe sie anhand von Boltzmanns Theorie verstanden, was es mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf sich hat.
Boltzmann hatte eine Erklärung dafür entwickelt, warum sich zum Beispiel der Duft von Parfüm in der Luft ganz von selbst verbreitet, aber dass man wohl nie beobachten wird, dass der Duft sich ganz alleine wieder in seine Flasche begeben wird.
„Boltzmann ging als erster davon aus, dass man Dynamik der Moleküle mathematisch beschreiben kann“, sagt Prof. Rüdiger-Mastandrea. Er beschreibt die Moleküle als seien sie elastische Bälle. Wenn sie zusammenstoßen, gibt es viele Möglichkeiten, wie sie zusammenstoßen. „Wenn man ein Molekül verfolgt, kann es sein, dass es nach einem Zusammenstoß die umgekehrte Reihenfolge nimmt, aber das ist sehr unwahrscheinlich“, beschreibt Prof. Rüdiger-Mastandrea. Deshalb seien Prozesse wie zum Beispiel das Ausströmen von Parfüm aus einem Flakon unumkehrbar.
Prof. Rüdiger-Mastandrea hat sich aber nicht nur der Forschung verschrieben. Zusammen mit dem Choreographen und Tänzer Jean Laurent Sasportes plant sie im kommenden Januar eine Tanzchoreographie zum gleichen Thema. Durch Bewegung und Dynamik der Tänzer sollen die Überlegungen Boltzmanns visuell für die Bürger der Stadt Wuppertal dargestellt werden. Dabei soll der Kontrast zwischen der Umkehrbarkeit der Bewegungen und der Irreversibilität der Dynamiken mit unterschiedlichen Formationen von Tänzern dargestellt werden.
Aber zurück zur Anfangsfrage: Warum wird heißer Kaffee kühler, wenn man kalte Milch hineingießt? „Das, was wir als Wärme fühlen, ist die Bewegungsenergie der Moleküle“, erklärt Prof. Rüdiger-Mastandrea die physikalischen Gesetze. Die Moleküle des heißen Kaffees sind schneller als die der kalten Milch. Wenn die Moleküle zusammentreffen, werden die schnellen Moleküle beim Zusammenstoß etwas langsamer und die langsamen Moleküle der Milch etwas schneller. Dieser Prozess geht so lange bis sich die Moleküle in ihrer Geschwindigkeit angeglichen haben.
Heiß wird das Getränk nicht mehr von selbst. Es müsste von außen Wärme zugeführt werden, damit sich die Bewegung der Moleküle sich wieder beschleunigt und der Milchkaffee heiß wird. Mit diesem Wissen bekommt Kaffeetrinken eine ganz neue Dimension.