Müngstener Brücke wird fit für die Zukunft gemacht Der alte Stahl der Brücke ist in seinem Kern immer noch perfekt

In 102 Metern Höhe arbeiten 30 Männer hart, um die Müngstener Brücke fit für die Zukunft zu machen.

In 102 Metern Höhe arbeiten 30 Männer hart, um die Müngstener Brücke fit für die Zukunft zu machen.

In 102 Metern Höhe arbeiten 30 Männer hart, um die Müngstener Brücke fit für die Zukunft zu machen.

Foto: Ulli Preuss

Wuppertal/Müngsten. Unten der Eisvogel, hier oben ein Astronaut. Dennis Barth stülpt sich den lehmgelben Helm über, fühlt sich jetzt wie Dustin Hoffmann im Virenschocker „Outbreak“. Ein Gespräch mit ihm ist nicht mehr möglich. Und wenn er Sekunden später die Sandstrahldüse einschaltet, können auch alle anderen im Umkreis von 20 Metern ihr eigenes Wort nicht mehr verstehen.

Die Müngstener Brücke, sie wird heute in den Abschnitten 19 und 20 gesandstrahlt. Das ist laut, schmutzig und vernichtend für alles technische Gerät, das sich in der Nähe befindet. Fotokameras zum Beispiel. Da, wo die Sandkörner den Flugrost wegschmiergeln, taucht eine zartgraue Farbe auf. Voraussetzung für die nächste Phase im Abschnitt II der Bauarbeiten an Deutschlands höchster Eisenbahnbrücke.

Ein harter Job für den 28-jährigen Barth und seine 30 Kollegen. Lange hält man es nicht aus in dem dichten Zelt zwischen Stahlgefache und Abgrund. Wenn Barth dann fünf Meter unter den Gleisen aus der Öffnung tritt, kann er die Wupper sehen, 102 Meter unter sich. In der Pause holt er Luft, schaut in die bergischen Wälder und ist in Gedanken bei Mira, der einjährigen Tochter, die daheim in Duisburg wartet.

Auf dem Fluss wabert der Nebel, es nieselt. Wanderer, die sich von diesem Sauwetter nicht aufhalten lassen, hören die Düsen noch kilometerweit. „Wir sind perfekt im Zeitplan“, sagt Hans Günter Gewehr. Der Diplom-Ingenieur kennt „seine“ Brücke seit 1985.

Damals arbeitete er für die Bundesbahn in diesem Abschnitt, heute ist er für das ganze Projekt zuständig. Der 58-Jährige spricht bewundernd von ihren Erbauern. Seinen Hut ziehe er, sagt er, und schwärmt von der Elastizität der Brücke und von einem durchdachten Bauwerk, das seinesgleichen sucht.

Der Stahl, einst für MAN in Gustavsburg gegossen, ist heute immer noch perfekt in seinem Kern. Nicht zuletzt deshalb legt der Schneidwarenhersteller Zwilling gerade eine Sammleredition aus Messern auf, deren Damastklinge aus Brückenstahl entwickelt wurde. Preis: über 1700 Euro. Alles perfekt. Ein Jahrhundertwerk deutscher Ingenieurkunst eben.

Nur diese Rollenlager waren es, an deren Austausch man damals, als man 1884 die Brücke entwarf, nicht gedacht hat. Jetzt sind sie erneuert, geben der Brücke in Längsrichtung wieder die Toleranz von gut drei Zentimetern Ausdehnung bei 30 Grad Temperaturunterschied.

Als diese Lager vor Jahren festsaßen, hörten die Anwohner zweimal am Tag dieses peitschende Geräusch, wenn die Brücke sich „frei machte“ von der zunehmenden Spannung.

Heute fahren wieder Züge über die Brücke, alle paar Minuten rollen über Dennis Barth die Triebwagen der Firma Abellio. Ein 20 Tonnen-Leichtgewicht gegen das, was die Brücke aushalten kann. In der Streckenklasse CM 2 ist das eine Achslast von 21 Tonnen - immerhin.