Mit 84 Jahren Der ehemalige SPD-Bundespolitiker Rudolf Dreßler ist tot

Wuppertal · Der gebürtige Wuppertaler war das vielleicht sozialste Gesicht der Sozialdemokratie. Jetzt starb der streitbare Politiker mit 84 Jahren

Rudolf Dreßler.

Foto: imago/Horst Galuschka/Horst Galuschka

Zuletzt hatte er gesundheitlich zu kämpfen. 2023 versagte die Niere, eine Covid-Erkrankung schwächte ihn zusätzlich. Aber Rudolf Dreßler war niemand, der aufgab. Einer wie er, als harter Knochen im Dienste derer, die Unterstützung im Leben gebrauchen können, kämpft immer, sein eigenes Leben lang. Für andere, auch für seinen Aufstieg. Nicht zum Selbstzweck, sondern dafür, Dinge politisch verändern zu können. Am Mittwoch ist Rudolf Dreßler, am 17. November 1940 in Wuppertal geboren, in Königswinter gestorben. Er war 84 Jahre alt.

„Die nordrhein-westfälische SPD trauert um Rudolf Dreßler. Mit ihm verlieren wir einen engagierten Sozialpolitiker, einen Kämpfer für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, einen herzlichen Genossen und einen guten Freund“, erklärten am Donnerstagmittag Achim Post und Sarah Philipp, zusammen sind sie Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD.

Als gelernter Schriftsetzer und freier Mitarbeiter war Rudolf Dreßler früh bei verschiedenen Zeitungen tätig und engagierte sich dort für die Rechte der Arbeitnehmer. Im Jahr 1969 übernahm er den Betriebsratsvorsitz bei der Westdeutschen Zeitung in Wuppertal – und wurde im selben Jahr SPD-Mitglied.

Kohl kostet ihn das
Amt des Staatssekretärs

„Als streitbarer und durchsetzungsstarker Vertreter der Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hinterließ Rudolf Dreßler bleibende Spuren in der SPD“, schreibt die nordrhein-westfälische SPD in einer Mitteilung. 16 Jahre lang, von 1984 bis 2000, führte er die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA) und gehörte in dieser Zeit dem SPD-Parteivorstand an, davon elf Jahre lang dem Präsidium. In der Ära Kohl war Dreßler das sozialpolitische Gesicht der SPD. Zehn Jahre, von 1986 bis 1996, war er Vorsitzender des SPD-Unterbezirks in Wuppertal. Und von 1980 bis 2000 direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages, 1982 Parlamentarischer Staatssekretär unter Kanzler Helmut Schmidt beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, als ihn das für Helmut Kohl erfolgreich ausgefallene Misstrauensvotum schnell wieder aus dem Amt hob. Ab 1987 war er 13 Jahre lang stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion. Von 2000 bis 2005 bekleidete er zudem das wichtige Amt des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in Israel.

Dreßler ist der Schöpfer der Aussage, die gesicherte Existenz Israels sei Teil der deutschen Staatsräson. Er schrieb diese nachhaltigen Worte 2005 in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung. Und sie wurden aufgegriffen: In einer Rede vor dem israelischen Parlament benutzte 2008 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Formulierung, seither ist das Dreßler-Wort ein geflügeltes. Es bestimmt das Verhältnis Deutschlands zu Israel.

„Wir trauern in Respekt um einen hochgeschätzten, meinungsstarken und tatkräftigen Genossen, der den Kampf für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der SPD über Jahrzehnte geprägt hat. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Angehörigen“, schreibt die NRW SPD.

Der Mann, der ihn als Vorsitzender der Wuppertaler SPD 1996 beerbte, erinnerte sich gestern für diese Zeitung an Dreßler. Der Wuppertaler Wolfgang Ebert hatte noch vor wenigen Tagen schriftliche Glückwünsche zum Geburtstag von Dreßler erhalten. „Dass es so schlecht um ihn steht, war mir nicht klar“, sagt Ebert im Gespräch. Er erinnert sich an einen „sehr geradlinigen und sehr kämpferischen Sozialdemokraten“, der immer aber auch das Verbindende gesucht und Brücken gebaut hat. Gemeinsam waren sie einst mit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Südafrika. Für Ebert, der in der politischen Erwachsenenbildung arbeitete, ist daraus thematisch viel erwachsen.

Dreßler, der 1997 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde und seither Probleme mit dem linken Arm hatte, konnte aber auch hart in der Sache sein, wenn er sein Urteil gefällt hatte. Er, dessen Eltern dereinst einen Gasthof in Sprockhövel betrieben, arbeitete sich jahrelang an der Agendapolitik von Ex-Kanzler Gerhard Schröder ab, nannte sie „neoliberal“, prognostizierte „Massenarmut in zwanzig Jahren“ – und hatte schon Jahre zuvor mit dem SPD-Kanzler manchen Kampf ausgefochten. „Das hat wohl auch verhindert, dass Rudof Dreßler 1998 in Schröder Kabinett Bundesarbeitsminister wurde“, erinnert sich Ebert. Statt seiner übernahm der Gewerkschafter Walter Riester, verwunden hat Dreßler das nicht. Er schied aus und wurde später Botschafter.

Unterzeichner der
Wagenknecht-Petition

Immerhin hatte Dreßler für die Rechte der Arbeitnehmer aufopferungsvoll gekämpft, sich selbst so auch nach oben gearbeitet und ein Netzwerk aufgebaut. Aber die Gabe, in der Politik zum richtigen Zeitpunkt auch mal in den diplomatischen Dienst zu wechseln, die lag ihm nicht. Selbst wenn er später als Botschafter dafür Fähigkeiten nachwies. Noch im Februar 2023 gehörte Dreßler zu den Erstunterzeichnern einer von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten Petition, die zum Waffenstillstand und zu keiner weiteren militärischen Unterstützung für die Ukraine im Zuge des russischen Überfalls aufrief.

Von einer „sozialdemokratischen Volkspartei“ habe sich die SPD zunehmend entfernt, sei stattdessen „neoliberal“. Er schimpfte sie „orientierungslos“. Auch der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel konnte Dreßler nie etwas abgewinnen und geißelte die Parteiführung, als mögliche rot-rot-grüne Bündnisse als linke Mehrheit von vorneherein ausgeschlossen worden waren. In einem Interview mit dieser Zeitung aus 2018 kritisierte er die Parteiführung, die müsse ausgewechselt werden. Und auf die Feststellung, dass ja in der Opposition nichts zu gewinnen sei, sagte Dreßler analytisch: „Das ist falsch. Ich kann belegen und beweisen, dass die SPD in der Opposition wichtige Themen in Gesetze gebracht hat. Ich selbst habe beispielsweise mit Norbert Blüm eine Rentenreform und mit Horst Seehofer eine Gesundheitsreform gemacht. Und auch am Pflegegesetz war die SPD 1994 als Oppositionspartei entscheidend beteiligt. In diesen Phasen haben wir uns so entwickelt, dass man uns später die Regierungsarbeit zugetraut hat.“

(kup)