Schauspielhaus Wuppertal Der schöne Zankapfel wird 50
Das Schauspielhaus feiert Samstag Geburtstag. Es wurde am 24. September 1966 eingeweiht. Das war der Beginn einer wechselvollen und zuletzt tragischen Geschichte, die vielleicht noch ein gutes Ende nimmt.
Wuppertal. Der Auftakt war ein Donnerschlag. Die Rede des späteren Literatur-Nobelpreisträgers Heinrich Böll wurde nicht nur im Wuppertaler Schauspielhaus vernommen. Der Schriftsteller sprach am 24. September 1966 zur Eröffnung des Gotthard-Graubner-Baus über die Freiheit der Kunst. Er tat dies im Umfeld eines Staates, der gerade dabei war, den jüngeren Teil seiner Bevölkerung zu verlieren. Die Jugend begehrte auf gegen eine verkrustete Gesellschaft, die erllschaft , die ältere Generation hielt mit Traditionen und Regeln dagegen. Der Staat zeigte Macht und war doch machtlos.
Das war Deutschland im Jahre 1966. Das war der Boden, auf dem Heinrich Böll seine heute noch bemerkenswerte Rede hielt. „Die Kunst muss zu weit gehen, um herauszufinden, wie weit sie gehen darf“, sagte er und bewarb sie als Korrektiv der Gesellschaft, als Widerpart der Staatsmacht. Es war eine große Rede und Bundespräsident Heinrich Lübke ihr prominentester Zuhörer im Schauspielhaus.
Es gab eine große Zeit an diesem Haus. Intendanten wie Arno Wüstenhöfer, Hellmuth Matiasek, Holk Freytag und Christian von Treskow haben das Haus geprägt. Pina Bausch hat hier das Tanztheater erfunden. Große Schauspielerinnen wie Ursula von Reibnitz und Ingeborg Wolff, große Schauspieler wie Gerd Mayen, Benno Kuschmann und Hans Richter haben hier gewirkt. Doch die Geschichte ging schlecht aus, weil das Schauspielhaus dem Rotstift zum Opfer fiel. Die endgültige Schließung im Juni 2013 war der Abschluss eines lange währenden Kampfes vieler Kulturfreunde in Wuppertal. Ihnen galt die Schließung des Schauspielhauses als Kardinalfehler der Kommunalpolitik. Nicht wenige führen die Abwahl des damaligen Oberbürgermeisters Peter Jung (CDU) im vergangenen Jahr auch auf diese Entscheidung zurück.
Wuppertals Kulturdezernent Matthias Nocke (CDU) hat die Entwicklung um das Schauspielhaus seit 2008 intensiv begleitet. Ihm klingt womöglich noch der Protest im Ohr, mit dem Kulturfreunde am 30. Januar 2010 24 Stunden lang ihrem Unmut Luft gemacht haben. Genutzt hat es letztlich nichts. Der Rat-Beschluss, nach dem Opernhaus das Schauspielhaus zu sanieren, wurde gekippt. Seither steht das Haus an der Kluse wie ein Fanal für den Niedergang öffentlich geförderter Kultur. Aber es gibt Hoffnung (s. rechts).
„Kein anderes öffentliches Gebäude spiegelt das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein unserer Stadt in der Nachkriegszeit so signifikant wider wie das Schauspielhaus an der Kluse“, sagt Nocke. Zwischen der glanzvollen Einweihung und dem 50. Geburtstag des gegenwärtig geschlossenen Hauses lägen der Niedergang der Textilindustrie, der Verlust tausender Arbeitsplätze und Einwohner. Wuppertal habe diese Phase durchgestanden und nahezu ausschließlich aus eigener Kraft bewältigt.
„Rat und Verwaltung arbeiten daran, dass im 51. Jahr des Bestehens des Schauspielhauses erneut ein mutiges und selbstbewusstes Bekenntnis zur Zukunft der Stadt neben dem neuen Döppersberg durch den Transformationsmotor Kultur gesetzt wird: Die Weichenstellung für das Pina Bausch Zentrum“, so der Kulturdezernent weiter.