Campus Wuppertal Die Engels-Briefe gibt’s bald digital

Der Nachlass der berühmten Familie wird derzeit an der Bergischen Universität für die weltweite Nutzung aufbereitet.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Es geht um Liebe. Um Krieg. Um Geschäfte. Und manchmal drehen sich die Briefe auch um Krankheiten. „Zum Beispiel Darmprobleme“, sagt Archivrat Thorsten Dette und schmunzelt. „Das ist nicht immer appetitlich, aber doch spannend.“ Etwa, weil man so etwas über die Medizinhistorie erfahre. Und schließlich ist es nicht irgendwer, der uns die Schreiben hinterlassen hat, sondern die Familie Engels. Das Konvulut aus mehr als 300 Briefen, datiert vom Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts, lagert seit den 1980er Jahren im Wuppertaler Stadtarchiv.

Eine Buch-Edition gibt es bereits seit 1991, verfasst vom ehemaligen Leiter des Historischen Zentrums, Michael Knieriem. Doch bald soll es auch eine digitale Fassung geben. „Frei zugänglich für jeden und weltweit“, kündigt Professor Dr. Wolfgang Lukas an, der das Gemeinschaftsprojekt von Uni Wuppertal und Historischem Zentrum betreut.

Seit 2013 arbeiten er und sein Team aus wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten an der Digitalisierung. Der Mehrwert gegenüber der bisherigen Ausgabe? „Ein Buch“, erklärt Lukas, „müsse sich entscheiden.“ Zum Beispiel, was die Sortierung angeht. Knieriem habe sich damals für die chronologische Reihenfolge entschieden. Das schränke die Handhabung aber ein.

Bei der digitalen Version sei man viel flexibler, ist Lukas überzeugt. „Man hat einfach mehr Möglichkeiten“, betont auch Mitarbeiter Fabian Etling. So lassen sich zum Beispiel Links einarbeiten, der Nutzer kann zwischen den Briefen einfacher hin- und herspringen. Auch Suchen nach bestimmten Begriffen sei natürlich viel einfacher.“

Und auch beim Thema Einordnung in bestimmte Themenbereiche sei man viel freier, so Lukas. „Es gibt verschiedene Modelle der Erschließung, es ist nicht so statisch.“ So können die Briefe zum Beispiel auch mal auf ihren religionswissenschaftlichen Aspekt hin untersucht werden. „Es ist eine offene digitale Ressource, die erweitert werden kann.“

Außerdem habe man auch immer das eingescannte Original-Schriftstück mit dabei, fügt Lukas an. Das sei für die Buchform meist zu aufwändig, biete aber ganz neue Eindrücke. Es gibt Wasserzeichen zu sehen, verblasste Stellen oder auch Risse, die bei mehr als 200 Jahre alten Papieren natürlich auftreten können. Auf dem Monitor zeigt das Team beispielhaft einen Brief. Hochauflösend eingescannt, ist der Inhalt relativ einfach zu entziffern — vorausgesetzt, der Leser ist der Kurrentschrift mächtig, in dem die Briefe abgefasst wurden.

Eine allgemein gültige Rechtschreibung habe es damals kaum gegeben. Dafür lasse sich die Veränderung der Handschrift anhand der Originale nachweisen. „Und man sieht, wo der Schreiber selbst Korrekturen vorgenommen hat“, zeigt Lukas auf.

„Unser Engels“, wie der Dozent den wohl bekanntesten Spross der Familie, Friedrich Engels, nennt, ist aber nur zweimal im Nachlass persönlich vertreten. Und das nur kurz, wie Thorsten Dette erklärt. „Er hat auf Briefen seines Vaters Grüße an die Mutter hinterlassen.“

Zum 200. Geburtstag des berühmten Sohnes 2020 soll die digitale Edition zur Verfügung stehen. Gut zwei Drittel der Briefe seien bereits bearbeitet, so Etling. „Wobei vielfältige Korrekturdurchgänge nötig sind“, betont Lukas. Er ist überzeugt, dass es gerade rund um das Jubiläumsjahr eine große Nachfrage nach Quellen zur Familie Engels geben wird. „Zum Beispiel in China.“ Wer übersetzt dann die Briefe? Lukas lacht. „Das wäre ein schönes neues Projekt.“