Eine schrecklich große Familie

Wie eine Sippe ungewöhnliche Wege geht, um unter ihren 670 Mitgliedern in aller Welt den Kontakt aufrecht zu erhalten.

Wuppertal. Es war in den 1930er Jahren, als Friedrich Winterhoff aus Hannover eine Frage umtrieb: Wie viele Häupter zählte inzwischen eigentlich seine weit verzweigte Familie, die sich seit dem 16. Jahrhundert vom Stamm-Gehöft in der Lüneburger Heide aus in die Welt verstreut hatte. Er und ein Vetter aus dem westfälischen Hamminckeln forschten nach, klapperten das Land nach Verwandten ab — und hatten am Ende 171 Winterhoffs zusammen, die sich am 11. Juni 1935 auf dem Familien-Hof in Münden trafen. Eine Tradition begann. Und weil die Familie Winterhoff es nunmal mit den Traditionen hat, lebt diese bis heute fort. Auch in Wuppertal.

Denn da der Eisenbahninspekteur Friedrich Wilhelm Winterhoff kurz vor dem Zweiten Weltkrieg der Liebe wegen ins Tal zog und dort blieb, ist auch hier ein Zweig der Sippe mit immerhin 13 Mitgliedern heimisch. Ein Umstand, der, unbemerkt vom weitaus größten Teil der Einwohnerschaft, Wuppertal am vergangenen Wochenende eine nie dagewesene Ehre zuteil werden ließ: Schauplatz eines Winterhoff-Familientages zu sein. Genau: Was am 11. Juni 1935 in Münden begann, ist inzwischen zum jährlichen Ritual geworden. Wer von der Familie kann, trifft sich immer in einer anderen Stadt. Nun war erstmals Wuppertal dran. Eine Ehre — oder, Daniel Kämmerling-Essmann?

„Natürlich“, sagt der Ronsdorfer, Enkel mütterlicherseits des erwähnten Friedrich Wilhelm. Er hat mit seiner Familie das Winterhoff-Stelldichein im Tal organisiert und alles gegeben: „Kaiserwagenfahrt und Stadtführung, Zoobesuch, bergische Kaffeetafel auf Schloss Burg — wir wollten Wuppertal ja schließlich von seiner besten Seite zeigen“, so Kämmerling-Essmann. Was nicht ganz leicht war: Wegen der Schwebebahn-Umbau-Pause am Wochenende konnte er für die Anverwandten mit knapper Not einen Kaiserwagen für den Freitagabend reservieren.

Immerhin 77 Winterhoffs waren es, die sich von Freitag bis Sonntag im CVJM-Haus auf der Bundeshöhe zum Familientag einfanden — alles „Vettern“ und „Basen“. „So reden wir uns bei den Treffen an“, erläutert Kämmerling-Essmann schmunzelnd, „ähnlich wie bei der SPD, wo man ,Genosse‘ zueinander sagt“. Nicht das einzige Ritual, was dort gepflegt wurde: In einem packendem Wettkampf wurde auch der Winterhoff’sche Familienkönig ermittelt.

„Ein Spaß-Wettbewerb“, erläutert Kämmerling-Essmann. So waren es in den vergangenen Jahren Disziplinen wie Teebeutelweitwurf und Kirschkernspucken, mit denen die Familie ihr temporäres neues Oberhaupt krönte. In diesem Jahr setzte sich die zehnjährige Jennifer Winterhoff aus Lotte Krone und Hermelin auf — nach einer Runde Crossboccia. „Ich wollte hier auch was mit Wuppertal-Bezug machen“, sagt Kämmerling-Essmann, der übrigens selbst nie den begehrten Königs-Titel erringen konnte.

Am Ende reisten alle Winterhoffs mit viel Lob für die Organisatoren wieder ab — und Daniel Kämmerling-Essmann kann die Veranstaltung als Erfolg abheften. In der großen Familientags-Dokumentationsmappe, die in der Sippe penibel genau gepflegt wird. Tradition verpflichtet eben — erst recht bei der weltweiten Famile Winterhoff.