Frank Meyer im Interview: „Bangemachen gilt nicht“
Frank Meyer ist in den Bereichen der Stadtentwicklung für so ziemlich alles zuständig.
Herr Meyer, Hand aufs Herz. Wie groß war denn der Schock, als sie sich zum ersten Mal ein Bild von Wuppertal machten?
Frank Meyer: Von Schock will ich nicht reden. Ich war nicht kurzatmig und habe auch nicht hyperventiliert. Wuppertal ist nun einmal nicht Rothenburg ob der Tauber. Pina Bausch hat es mal so ausgedrückt, dass Wuppertal keine Sonntags-Stadt, sondern eine Alltags-Stadt sei. Die schönen Ecken offenbaren sich nicht auf den ersten Blick. Die Liebe entsteht da eher auf den zweiten Blick.
Kennen Sie eine andere Stadt, die so wenig aus ihrem Fluss macht?
Ja. Die Hinwendung zum Fluss haben zwar schon einige Städte hinter sich, andere aber eben noch vor sich. Das ist ja auch ein schwieriger Prozess, aber gegenüber dem Opernhaus und am Islandufer tut sich ja schon was. Das ist eine Sache, die im wahrsten Sinne des Wortes im Fluss ist. Und wir versuchen, wo immer ein Projekt an der Wupper läuft, das Flussufer auch begehbar und erlebbar zu machen. Das gelingt leider nicht immer.
Über Mangel an Arbeit kann ein Stadtentwickler in Wuppertal ja wohl nicht klagen.
Nein, nicht wirklich. Da liegen eine ganze Menge Themen wie zum Beispiel der demografische Wandel und die Entwicklung des Wirtschafts- und Wohnstandortes an. Wuppertal verkauft sich als Wohn- und Wirtschaftsstandort noch unter Wert. Es gibt reichlich Herausforderungen und Potenziale, die noch besser genutzt werden können.
Sie sind jetzt für Stadtentwicklung, Verkehr, Umwelt und Bauen zuständig: Ziemlich viel.
Ja, das ist ziemlich viel. Aber es gehört zusammen. das gilt auch für das vermeintliche Gegensatzpaar von Umwelt und Bauen. Ein dynamischer Standort braucht nun einmal zusätzliche Wohnungsbau- und Wirtschaftsflächen. Schon wegen der problematischen Leerstandsbereiche, in die kaum jemand ziehen möchte. Sie können ja niemanden zwingen, dorthin zu ziehen. Aber die Bevölkerungsprognose hin oder her. Bangemachen gilt nicht.
Was ist denn der Sinn dieser Bündelung?
Es geht ja um die Strategie, wie die Stadt insgesamt nach vorne kommt. Und wir haben einen hohen Waldbestandsanteil. Eine Rechnung, wonach nichts mehr auf die grüne Wiese darf, geht nun einmal nicht auf. Die Schnittstelle des Zielkonfliktes liegt jetzt in einem Dezernat. So können Sie die Konfliktpotenziale nun früher auflösen und zur Entscheidung bringen statt sie zu problematisieren und sich gegenseitig zu blockieren. Zum Beispiel bei der Nordbahntrasse haben wir mittlerweile einen modus vivendi gefunden, die Trasse zu nutzen und gleichzeitig die Belange des Umwelt- und Artenschutzes zu berücksichtigen.
Wird der neue Dezernatszusammenschnitt auch Folgen für die Gremien haben. Gibt es künftig also einen Super-Ausschuss statt einen für Verkehr, einen für Umwelt, einen für Stadtentwicklung?
Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster. Ich hoffe ja. In nur einem Ausschuss ließen sich die Dinge eher auf den Punkt bringen. Aber das zu entscheiden, ist das Recht der Politik. Bei weniger Ausschüssen ließen sich viele Vorgänge straffen und es gäbe oft auch eine Verfahrensbeschleunigung, zum Beispiel bei Bauleitplanverfahren. Schaun mer mal.
Kritiker sagen oft, es habe in der Vergangenheit an Mut gefehlt. Geht es künftig forscher zu?
Wenn es nach mir geht, ja. Aber die Schrittgeschwindigkeit geben nicht zuletzt häufig die Fördergeber und die Politik vor. Zum Beispiel beim Döppersberg stehen wir Gewehr bei Fuß. Kommt morgen der Bewilligungsbescheid, können wir morgen Abend anfangen - und nicht erst übermorgen.
Viele Beobachter sagen ja, es habe sich in der Frage von Baugenehmigungen viel gebessert. Wie groß ist denn der Handlungsspielraum einzelner städtischer Mitarbeiter?
Die Prozessbeschleunigung lauft ja schon länger. Aber auch wegen der Korruptionsvorgänge der Vergangenheit sind viele Kollegen beim Ausschöpfen ihres Ermessungsspielraumes sehr vorsichtig. Es ist Aufgabe der Führung, da mehr Vertrauen zu geben.
Wie stehen sie zu der These, dass der Abriss von Häusern Städten wirklich gut tun kann?
Es ist nicht einfach mit den Eigentümern Strategien zum Abbruch zu entwickeln. Vor allem nicht bei einer solch kleinteiligen Eigentümerstruktur wie in Wuppertal. Deswegen bedarf es vieler Initiativen, das Problem bekannt zu machen und Lösungsstrategien zu finden. Mit Zwang kommt da politisch und rechtlich nicht weit. In hochverdichteten Problemvierteln kann es aber zu städtebaulich begründeten Abrissen kommen. Da stehen wir in der Moderatoren-Rolle. Das ist ein dickes Brett. Und oft kommen die Reaktionen leider ja erst, wenn der Leidensdruck zu hoch geworden ist.
Wuppertaler fürchten ja mitunter, es gebe einen Masterplan mit dem Ziel, Wuppertal einfach lahmzulegen. Können die Straßen-Baustellen noch besser koordiniert werden?
Einen solchen Masterplan gibt es natürlich nicht. Bei den vielen Baustellen geht es außerdem häufig gar nicht um die Stadt, sondern zum Beispiel um Leitungen von Dritten. Und die Zahl dieser dritten Akteure wird immer größer. Das sind längst nicht mehr nur die Stadtwerke und die Post. Die Koordinierung läuft zwar, sie läuft auch gut, aber wir haben große Baustellen vor uns. Da müssen wir die Dinge möglichst frühzeitig kommunizieren.
Und dann dieser alles andere als gute Zustand der Straßen. Kann Wuppertal das alleine noch stemmen?
Wir sind gerade eben in der Lage, diesen Zustand mehr oder weniger zu erhalten. Ich fürchte, grundlegende Verbesserungen und Neuerungen können wir kaum noch allein finanzieren. Würden wir noch weniger Geld aufwenden, wäre es auf den Straßen aber ganz schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass wir es häufig mit teuren Brücken und Stützwänden zu tun haben. Da sind wir im kommunalen Vergleich sehr benachteiligt.
Hat die Kleine Höhe noch Chancen auf eine Realisierung? Planungsmittel werden ja mittlerweile öfter auch mal an anderer Stelle eingesetzt.
Ja. Das bleibt ein wichtiges Thema.
Wochen der Einführungsgespräche und sicher auch der versuchten Einflussnahme auf Sie haben Sie jetzt hinter sich. Ist die Gemengelage in Wuppertal eine besondere?
Nein, das ist überall so. Es ist ja legitim, dass die Akteure ihre Anliegen loswerden. Wichtig ist, dass man diese Akteure erst einmal kennenlernt. Klar ist aber, dass man auch nein sagen muss.
In drei knappen Sätzen: Wuppertal ist für sie heute ...
... ein Wohn- und Wirtschaftsstandort mit hohem Potenzial, der sich leider unter Wert verkauft.
Aus Sicht eines Stadtentwicklers? Wuppertal ist in zehn Jahren ...
... ein attraktiver Wohn- und Gewerbestandort, der seine Potenziale nutzt, ausbaut und offensiv damit wirbt.
Vielen Dank für das Gespräch.