Ein Blick in die Vergangenheit Freundschaft mit Onkel Theodor: Der Kontakt zu einem US-Soldaten hielt Jahre

Wuppertal · Aus St. Augustin hat sich Hermann-Josef Tölle gemeldet, der eine besondere Geschichte zum Kriegsende in Wuppertal zu erzählen hat.

Foto: Stadtarchiv

Ich war damals vier Jahre alt, wir wohnten in der Untergrünewalder Straße 14. Beim Einmarsch der Amerikaner zogen die Soldaten von der heutigen Friedrich-Ebert-Straße (damals Straße der SA) durch die Untergrünewalder Straße – in Zweierreihen, einer am rechten, einer am linken Bürgersteig entlang. Sie trugen Gewehre mit aufgepflanztem Bajonett. Meine Schwestern (Zwillinge) im Alter von elf Jahren und ich standen hinter der Gardine und schauten ängstlich zu. Sie zogen zum Haus Untergrünewalder Straße Nr.1 – ein ehemaliges Gewerkschaftsgebäude, das die Nazis übernommen hatten, beschlagnahmten es und richteten eine Kommandostelle ein.

Die Kinder, die in der Straße wohnten, verloren sehr schnell die Angst vor den Soldaten und nahmen Kontakt zu ihnen auf. Ich lief als Vierjähriger immer mit meinen Schwestern mit. Unter den Amerikanern war ein Offizier, der glänzend Deutsch sprach. Irgendwie hat er uns Kinder ins Herz geschlossen. Er hieß Theodor Dunham, wir nannten ihn bald „Onkel Theodor“.

Er spielte mit uns und nahm uns auch im Jeep mit. Eines Tages hat er den Jeep mit Kindern vollgeladen und fuhr durch die Luisenstraße zur Briller Straße und selbige hoch. Plötzlich kam uns ein Jeep der Militärpolizei entgegen, hielt uns an, und wir mussten alle aussteigen und zu Fuß nach Hause laufen. Erst viel später habe ich begriffen, dass das die Folge des Antifraternisierungserlasses war. Leider zogen die Amerikaner bald ab und die Engländer folgten als Besatzungsmacht nach.

Aber meine Schwestern hatten von Theodor Dunham seine Adresse in den USA bekommen. Er war nicht Berufssoldat, sondern Professor für Germanistik, wurde also aus der Armee entlassen. Meine Schwestern schrieben eifrig mit ihm, er schickte uns Pakete. 1949 schrieb er, dass er beruflich nach Wien müsse. Er werde einen Abstecher nach Wuppertal machen. Er kam und lud meine Schwestern zum Essen zu „Wagner am Mäuerchen“ ein. 1959 kam er mit seiner Frau und besuchte meine Schwester Mechthild. Dort haben wir uns alle getroffen.

Vor mir liegt ein Brief, den er danach an meine Schwester Gisela geschrieben hat – ein Auszug: „Liebe Gisela, schön, dass wir alle beisammen sein durften. Ich weiß nicht, ob Du eine Ahnung davon hast, was ihr mir 1945 und all die Jahre hindurch bedeutet habt. Ihr Kinder wart das Schönste und Feinste, was ich in Europa gefunden habe in dem Dunkel und Verfall der Nachkriegszeit, die Hoffnung mitten in der Verzweiflung. Ich brauche Dir nicht zu sagen, dass ich euch nie vergessen werde. Onkel Theodor“

(Red)