Frühe Geschäfte auf Aktien: Zwei Geschichten, ein Ergebnis

Von einem rasanten Aufstieg und einem unbarmherzigen Absturz.

Foto: A. Hammer

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Deutschland, das es als politische Einheit ja noch gar nicht gab, ein weitgehend agrarisch geprägtes, industrielles Entwicklungsland. Vier von fünf Menschen lebten damals noch auf dem Land. Die wenigen Großstädte waren die Orte, in denen technische Entwicklung und erste frühkapitalistische Experimente stattfanden. Barmen und Elberfeld zählten zu diesen Pionieren der kapitalistischen Industrialisierung.

Die aufstrebenden Verleger-Unternehmer des heimischen Textilgewerbes dachten hier, nicht zuletzt aufgrund der Zollbeschränkungen und mangelnden Gewerbefreiheit auf dem Binnenmarkt, schon frühzeitig exportorientiert. Und ebenso frühzeitig entwickelte man „neue“ Wege der Kapitalakkumulation durch die Gründung von Aktiengesellschaften. Zwei Beispiele waren die „Rheinisch-Westindische Kompagnie“ von 1821 und der „Deutsch-Amerikanische Bergwerksverein“ von 1824. Beide Gesellschaften hatten — in der Fliegersprache — einen rasanten „take off“ und einen unbarmherzigen Absturz.

Die Geschäfte auf Aktien waren zum Scheitern verurteilt. Treibende Kraft des ersten Experimentes war der Elberfelder Bankier und Großkaufmann Konrad Aders, der seit 1816 für eine Intensivierung der Exportgeschäfte warb, um Absatzgebiete in Lateinamerika zu gewinnen. Die Idee war durchaus trickreich: Durch Ausschaltung des Zwischenhandels und der Speditionsgewinne in den Hafenstädten wollte man den Vorteil der direkt exportierenden Engländer einigermaßen ausgleichen. Abhilfe schaffen sollte eine neue Handelsgesellschaft, die die exportierenden Gewerbe stützen und zugleich koloniale Reimporte ermöglichen sollte.

Es sollte ein Elberfelder Großprojekt werden, das zunächst auch die gesamte regionale Kaufmannschaft mobilisieren konnte. Am 8. März 1821 wurde die „Rheinisch-Westindische Kompagnie“ gegründet. Mehr als 50 Bergische Kaufleute waren daran beteiligt. Sie gründeten gemeinsam die bis dahin erst dritte Aktiengesellschaft in ganz Preußen. Selbst der preußische König Friedrich Wilhelm III hatte Papiere im Wert von 20 000 Talern gezeichnet.

Wuppertaler

Geschichte

Die Aktiengesellschaft schien ein rentables Anlageobjekt der inzwischen großen Kapitalien des Wuppertals zu werden und genoss politischen Rückenwind „von ganz oben“. Niederlassungen der anfangs florierenden Kompagnie existierten bald in Mexiko, auf Kuba, in Brasilien und Argentinien. Das Aktienkapital belief sich 1825 auf 2 Mio Taler. Zum Vergleich: Der gesamte Haushalt des preußischen Staates lag zu der Zeit bei rund 20 Mio Talern.

Die Betreiber hatten allerdings ihre Rechnung ohne die begrenzten Aufnahmekapazitäten der lateinamerikanischen Märkte gemacht. Schließlich stagnierte der Aktienverkauf. 1843 wurde die Kompagnie liquidiert. Die Spekulation musste dabei erhebliche Verluste hinnehmen. Die Gründe des Scheiterns wurden nie vollständig analysiert.

Der Hauptgrund lag aber vermutlich in dem abenteuerlichen Versuch, die Zwischenhändler in den Hafenstädten auszuschalten. Das misslang gründlich. Auch der zweite Anlauf, mit dem „Deutsch-Amerikanischen Bergwerksverein“ erfolgreich Spekulationsgeschäfte zu tätigen, misslang. In Mexiko sollten mit bergtechnischem Know-how die stillgelegten Silberminen wieder gewinnbringend in Betrieb genommen werden.

Treibende Kraft war diesmal der schwerreiche Elberfelder Kaufmann Kamp, verschwägert mit Konrad Aders. Der Verein brachte rasch eine größere Zahl von Silber-, Gold, und Bleiminen in seinen Besitz, schickte Ingenieure nach Übersee - und scheiterte. Politische Instabilität und Bandenkriminalität bedrohte die Bergwerke. 1837 war der Verein bereits Geschichte und seine Aktionäre um reichlich Kapital ärmer. Der Rest war dann buchstäblich Schweigen.