Grüne werfen SPD und CDU zur Halbzeit Stillstand vor

Seit drei Jahren ist die Große Kooperation aus SPD und CDU an der Macht. Anja Liebert und Marc Schulz lassen kein gutes Jahr an ihr.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Im Mai 2014 wähnte sich die Grüne Ratsfraktion am Abend der Kommunalwahl für einige Stunden als Wahlsieger. Doch als alle Stimmen ausgezählt waren, folgte für die Grünen das böse Erwachen. Sie landeten in der Opposition. Die Große Kooperation (Groko) von CDU und SPD erlebt bis zum Jahr 2020 — nun unter Führung der SPD — eine Neuauflage. Marc Schulz und Anja Liebert werfen den Parteien nach der Hälfte der Ratsperiode mangelnden Gestaltungswillen und fehlende Initiativen vor. „Die Vorstellung, dass es noch drei Jahre so weiter geht, macht mir keine Freude. Am Ende der Ratsperiode wird die Groko 16 Jahre an der Macht sein. Das ist wie 16 Jahre mit Helmut Kohl“, sagt Marc Schulz. Oberbürgermeister Andres Mucke bezieht Marc Schulz ausdrücklich in seine kritische Halbzeitbilanz ein. „Der Oberbürgermeister hat nicht die Mehrheit im Rat, um seine Wünsche umsetzen zu können. Es fehlt ihm die Gestaltungsfähigkeit im Rat“, so Marc Schulz. Als Beispiel nennt er die Diskussionen um die Arbeitsabläufe im Straßenverkehrsamt. Da sei eine Initiative Muckes, der die Abläufe zugunsten der Privatkunden ändern wollte, von der SPD und CDU im Rat ausgebremst worden. Allein bei der Stärkung von Bürgerbüros und Meldeamt habe sich Mucke gegen die Groko durchsetzen können. „Da gab es aber wie beim Carnaper Platz zuvor massiven Druck aus den Stadtbezirken“, sagt Anja Liebert. 20 Seiten umfasse der Kooperationsvertrag von SPD und CDU, in dem vor drei Jahren keine konkreten Ziele genannt worden seien. Besserung sei nicht in Sicht. In der Wirtschaftspolitik seien keine Initiativen erkennbar, den Standort Wuppertal gezielt zu entwickeln und Schwerpunkte bei der Ansiedlung von Unternehmen zu setzen. „Bei der Wirtschaftsförderung läuft es weiter wie immer. Klopft ein Investor an, dann wird geschaut, ob eine passende Gewerbefläche für ihn vorhanden ist. Wenn nicht, dann eben nicht“, kritisiert Anja Liebert. In der Verkehrs- und Umweltpolitik würden Anträge der Grünen seit Jahren abgelehnt, ausgebremst, umgeschrieben oder weich gespült. Der Wandel, den SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nach dem Dieselskandal zum Wahlkampfthema gemacht habe, sei Ende Juli im Fachausschuss mit den Stimmen der Groko abgelehnt worden.

Mangelnde Transparenz hatten die Oppositionsparteien der Groko schon vor der Kommunalwahl 2014 vorgeworfen. Das Thema kochte beim Thema Carnaper Platz hoch. Dessen Verkauf an die WSW machte der Rat erst nach massiven Bürgerprotesten rückgängig. „Die von der Groko darauf hin installierte Bürgerbeteiligung ist in dieser Form krachend gescheitert. Die Besetzung des Dezernenten für Bürgerbeteiligung ist das größte und tragischste Wuppertaler Missverständnis seit Erich Ribbecks Berufung zum Bundestrainer“, sagt Marc Schulz und spielt auf Panagiotis Paschalis (SPD) an, der als Dezernent für Bürgerbeteiligung vom Rat mehrheitlich abgewählt wurde.

Dass die Leitlinien zur Bürgerbeteiligung in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause von der Tagesordnung genommen wurden, weil die SPD Beratungsbedarf angemeldet habe, sei bezeichnend für das Desinteresse am Thema. „Die SPD meldet Beratungsbedarf an, obwohl sie gemeinsam mit den Bürgern diese Leitlinien entwickelt hat. Das zeugt nicht von Fingerspitzengefühl“, lautet die Kritik von Marc Schulz. Die Grünen zeigen sich gesprächsbereit, was die inhaltliche Arbeit angeht. „Eine Grundlage für eine ernsthafte Ratsarbeit ist das Programm von Mucke im OB-Wahlkampf. Diese Positionen haben sich von meinen nicht grundlegend unterschieden“, sagt Schulz. Bei Andreas Mucke könne er aber nicht mehr die Bereitschaft erkennen, für seine Positionen zu kämpfen. Das Versprechen, nicht der Oberbürgermeister der Groko zu sein, habe Mucke nicht halten können.