Konjunktur- und Zukunftspaket Händler zweifeln Sinn der Mehrwertsteuersenkung an

Stadtteile · Für ein halbes Jahr sinkt der reguläre Steuersatz von 19 auf 16 Prozent, der ermäßigte Satz von sieben auf fünf Prozent. Die Umstellung der Systeme und Preise sind für die Unternehmen mehr Last als Hilfe.

 Helmut Albrecht in der Filiale von Tee Gschwendner an der Schwanenstraße.

Helmut Albrecht in der Filiale von Tee Gschwendner an der Schwanenstraße.

Foto: Fischer, Andreas

Den Konsum stärken, der Konjunktur in der Corona-Pandemie einen Schub geben und neue Kaufimpulse setzen. Damit wirbt die Bundesregierung für die Anfang Juli in Kraft getretene Mehrwertsteuersenkung. Für ein halbes Jahr sinkt der reguläre Steuersatz von 19 auf 16 Prozent, der ermäßigte Satz von sieben auf fünf Prozent. Doch die wenigsten Wuppertaler Händler und deren Kunden sind erfreut.

Jörg Heynkes, Inhaber der kürzlich geschlossenen Villa Media und IHK-Vizepräsident, ist der Meinung, dass in dem beschlossenen Konjunktur- und Zukunftspaket durchaus gute und zukunftsweisende Dinge beschlossen worden sind, die Mehrwertsteuersenkung dabei allerdings „das Unsinnigste überhaupt“ sei. Nicht nur hätten die Händler einen unglaublichen Mehraufwand durch das Umstellen der Technik und das Neuausweisen der Preise, auch würden so hohe Streuverluste entstehen, dass kein zusätzlicher Konsum ausgelöst wird. Die Preisersparnis sei lediglich ein Mitnahmeeffekt oder Wahlgeschenk, würde aber niemanden dazu bewegen etwas zu kaufen, was man nicht eh kaufen wollte. „Volkswirtschaftlich gesehen ist das ein totaler Rohrkrepierer.“

Ähnlich sieht es Martin Bang, Geschäftsführer von Wuppertal Marketing. „Was hat der Kunde davon? Er spart nur Cent-Beträge und wir hingegen haben einen riesigen Aufwand.“ Daher habe man sich entschieden, den überschüssigen Betrag an das Kindertal zu spenden. Und nicht nur das: Die Summe, die die Umstellung der Preise hochgerechnet kosten würde, wird ebenfalls gespendet. Dadurch erhoffen sie sich am Ende des Jahres eine Spende überreichen zu können, die etwas bewegen kann, berichtet Bang.

„Wie können wir aus diesem Ansatz der Bundesregierung den bestmöglichen Nutzen ziehen?“, fragten sich auch die Franchise-Unternehmer des Teehandels Tee Gschwender. Die Lösung ist so einfach wie effektiv: Sämtliche Erträge aus der Mehrwertsteuersenkung werden monatlich an das Deutsche Kinderhilfswerk weitergegeben, um Kinder in Not zu unterstützen. Helmut Albrecht, Inhaber des Geschäfts in der Elberfelder Innenstadt, war sofort mit Enthusiasmus dabei und lobt auch seine Kunden, die sich durch die Bank unterstützend zeigen. „Sie könnten den Rabatt auch für sich beanspruchen, das kam bisher allerdings noch nicht vor“, freut sich Albrecht. Der aktuell gesammelte Betrag kann ab Ende Juli über einen QR-Code auf jedem Kassenbon auf der Webseite eingesehen werden.

Ob Einzelhändler, Supermärkte oder Gastronomen - die Händler sind nicht verpflichtet, die Ersparnis an ihre Kunden weiterzugeben geschweige denn die niedrigeren Preise auszuzeichnen. Dennoch gebe es hauptsächlich diejenigen, die spenden oder den Überschuss an die Kunden weitergeben, bestätigt IG 1-Vorsitzender Matthias Zenker. Zenker, der ebenfalls Inhaber des Brillenfachhandels BrillenArlt ist, ist sich sicher, dass die Endkunden bei größeren Anschaffungen den Preisunterschied schon bemerken. „Ich bezweifel aber, dass dadurch ein Kaufentscheid ausgelöst wird.“

Ein Beispiel: Ein Burger kostet den Verbraucher durch die Senkung jetzt nur noch 2,91 anstatt 2,99 Euro. Da löst die Preissenkung vermutlich keinen Kaufentscheid aus. Anders sieht es beispielsweise bei dem Kauf einer Küche aus: Bei einem Ausgangspreis von 6999 Euro spart man durch die Senkung auf 16 Prozent rund 176 Euro - durchaus keine geringe Ersparnis.

Das bestätigt auch Lutz Wenzel, Leiter des Küchenstudios Alma-Küchen in Barmen. Seine Kunden hätten die Küchen meist vor der Corona-Pandemie bestellt, wodurch sich die Lieferzeiten verzögert haben. Die Ersparnis sei dann ein „angenehmer Nebeneffekt“. Jedoch hätten die Kunden die Küche vermutlich auch ohne Rabatt gekauft, „weil sowas einfach vorher geplant wird“.

Einzig die Gastronomen hadern mit der Weiterleitung an den Kunden. Die ganze Hotel- und Gastronomiebranche sei durch Corona derart gebeutelt worden, dass  sie sich den Mehraufwand einfach nicht leisten kann, auch wenn sie es wollte, berichtet die stellvertretende Geschäftsführerin der Dehoga Nordrhein Isabel Hausmann. „Deshalb raten wir den Gastronomen, die Ersparnis nicht an den Endkunden weiterzugeben.“ Diese hätten auch meistens Verständnis dafür, wenn man es ihnen vernünftig erklärt.

In einem sind sich alle Befragten aber einig: einen zusätzlichen Kaufanreiz, wie von der Bundesregierung gewollt, bringt die Mehrwertsteuersenkung eher nicht.