Kunden und Ladeninhaber sind genervt Krefelder halten nichts von der Mehrwertsteuersenkung

Krefeld · Die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder ankurbeln: Das war der große Plan der Bundesregierung mit der neuen Mehrwertsteuersenkung. Rund 20 Milliarden Euro kostet der Schritt den Staat. Viele Einzelhändler mussten wegen des Corona-Lockdowns wochenlang ohne Einnahmen auskommen, Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt und die Kunden haben vom Sofa aus im Internet bestellt.

 Simon Ahrens ist Filialleiter bei Sneakers. Er gibt die Senkung gerne an die Kunden weiter.

Simon Ahrens ist Filialleiter bei Sneakers. Er gibt die Senkung gerne an die Kunden weiter.

Foto: Andreas Bischof

Die Steuersenkung soll dem Bekleidungsgeschäft oder der Drogerie um die Ecke unter die Arme greifen und wieder Kunden in die Innenstädte locken, so der Gedanke. Auch nach Krefeld. Lässt man seinen Blick beim Einkaufen durch die Krefelder Innenstadt wandern, dann fallen schnell die bunten Plakate an Ladentheken und in den Schaufenstern auf: „Wir geben die Mehrwersteuer in vollem Umfang an Sie weiter“.

Auch Gabriele Rommerskirchen, die Inhaberin von Oil und Vinegar an der Rheinstraße, hat sich dazu entschieden, obwohl sie die Differenz auch selbst einstreichen könnte. Begeistert ist sie aber von der neuen Regelung nicht: „Das ist alles Quatsch. Das ist eine reine Porsche-Steuer.“ Niemand würde sich eine Flasche Essig in ihrem Laden kaufen, nur weil sie plötzlich ein paar Cent günstiger sei, merkt sie an. Profitieren würde vor allem die Auto-Industrie. Diesen Gedanken scheinen viele Krefelder zu teilen. Zum Beispiel die Passantin Heike Potthoff. Sie ist häufiger in der Krefelder Innenstadt unterwegs, um ihren normalen Einkauf zu erledigen. Ob mit gesenkter Steuer oder ohne. „Man merkt es sowieso nicht im Portmonee. Ob die neuen Schuhe jetzt 30,95 Euro kosten oder ein paar krumme Cents weniger, fällt mir gar nicht auf.“

Viele sind durch die Corona-Krise ohnehin nicht in Kauflaune. Das weiß auch Isabelle Hemmersbach aus Bockum. Ihr Mann ist selbstständig und hatte während der Krise wochenlang keine Arbeit. „Da wird man vorsichtiger“, sagt sie. Werner Lantin aus Linn hat da sogar noch eine klarere Meinung: „Das ist alles Nonsens! Mir kommt es so vor, als wäre sowieso in den letzten Wochen alles teurer geworden, nur um es dann jetzt wieder etwas günstiger anzubieten. Das habe ich zum Beispiel bei dem Schinken gemerkt, den ich mir immer kaufe.“  Dabei wirbt der Lebensmittel-Discounter Aldi Süd zum Beispiel damit, seinen Kunden bei Produkten mit einem niedrigeren Steuersatz einen zusätzlichen Prozentpunkt zu schenken. Vielen fällt der geänderte Preis beim Einkaufen aber gar nicht auf. Wer doch einen Blick auf den Kassenbon wirft, kann sich allerdings schon mal über krumme Beträge wundern. Da muss dann auch Simon Arens, der Filialleiter des Sneaker-Stores an der Königstraße, manchmal noch Aufklärungsarbeit leisten. „Für uns war es aber einfach eine Selbstverständlichkeit, die Steuersenkung weiterzugeben. Das ist für uns ja quasi geschenkt“, sagt er. Große Sprünge machen die Kunden damit bei ihm auch nicht, aber immerhin: „Wer drei T-Shirts bei uns kauft, der kann sich davon fast schon einen Kaffee leisten.“ Auch der Aufwand für den kleinen Sportladen war gering: „Wir mussten da im Kassensystem nur auf einen Knopf drücken, dann zieht der das automatisch beim Bezahlen ab.“

Von diesem Knopf kann Gabriele Rommerskirchen in ihrem Laden nur träumen.  „Ich feiere in diesem Jahr definitiv kein Silvester“, ist ihre Aussage. Denn aktuell ist der reduzierte Mehrwertsteuersatz nur bis zum Ende des Jahres geplant. Danach soll der ganze Spuk wieder vorbei sein. Für Rommerskirchen und ihr Team bedeutet das abermals eine große Veränderung. Wieder muss das Kassensystem geändert werden. „Und dann haben wir auch noch das Weihnachtsgeschäft. Wie soll das denn dann im Januar funktionieren, mit den ganzen Gutscheinen und Reklamationen?“

Eine Frage, die sich zumindest im Anderen Buchladen von Heinz Hüwe-Schweers und seiner Frau nicht stellt. Durch die Buchpreisbindung ist ihnen die Preisfrage aus der Hand genommen worden. Sie sparen jetzt allerdings beim Bucheinkauf eine geringe Summe „Das tut in der aktuellen Situation schon mal gut“, sagt seine Frau Ursa Engelen. Der kleine Buchladen hinter der Dionysiuskirche lebt ohnehin vor allem von Stammkunden. „Und die haben uns in der Corona-Krise wirklich sehr gut unterstützt.“ Zum Dank gibt es jetzt bei einem größeren Einkauf zum Beispiel eine Postkarte dazu geschenkt. Auch Katharina Scheurenberg hat im Buchladen eine Bestellung abgeholt. Über die gesenkte Mehrwertsteuer hat sie dabei sowieso nicht nachgedacht. „Mein Konsumverhalten hat sich dadurch nicht verändert.“  In den Läden in der Krefelder Innenstadt bleibt es vermutlich also auch weiterhin vergleichsweise leer. „Um die Städte zu beleben, muss was Anderes her“, so das Fazit von Rommerskirchen.

Größere Elektromärkte und Möbelhäuser dürften wohl schon eher von der Mehrwertsteuersenkung profitieren. Auch Schaffrath und Media Markt werben groß damit, die Senkung weiterzugeben. Ob das die Kunden tatsächlich in Kauflaune bringt, bleibt abzuwarten.