Wiedersehen Hendrik Vogt kehrt nach elf Jahren als Gast ans Schauspiel Wuppertal zurück
Wuppertal · Er ist der Wurm in Schillers „Kabale und Liebe“.
Fragen nach seinem Beruf sind ihm vertraut. Meist drücken sie das Erstaunen darüber aus, wie man so viel Text auswendig lernen kann. Und so ist der Schauspieler Hendrik Vogt gern bereit, auf die etwas seltener gestellte Frage nach der Berufswahl einzugehen. Die Vorentscheidung fiel wie bei vielen anderen in der Schule in Hannover. Von 2010 bis 2013 gehörte er dem Ensemble der Wuppertaler Bühnen an. Seither ist er in der weiten Welt des Schauspiels, auf der Bühne und in der Lehre, zu Hause. In dieser Spielzeit kehrt er als Gast ins Opernhaus zurück. Er schlüpft in die Rolle des Wurms in Schillers „Kabale und Liebe“. Ein wunderbares Wiedersehen mit den Menschen, die er von früher kennt. Die Stadt verlassen hat er nie.
Hendrik Vogt wurde 1986 in Hannover geboren, aufgewachsen ist er in Erftstadt. In der achten Klasse spielte er im Schultheater mit, übernahm in Goldonis „Diener zweier Herren“ seine erste Rolle. Die Verkörperung einer älteren Person gelang ihm so gut, dass er von einem Herrn im Publikum gelobt wurde. Das spornte an, „ich dachte, das kann ich vielleicht, und so blieb ich dran“, erinnert der heute 38-Jährige, der damals auch erkannte, dass er über die Beschäftigung mit Theaterrollen etwas über sich selbst und die Welt herausfinden konnte. 2010 schloss er sein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main ab, fing noch im selben Jahr in Wuppertal an – seiner ersten Stelle. Mit den Jahren nahmen die Erfahrung zu und das Interesse ab, jemand ganz anderes sein zu wollen. „Ich weiß mittlerweile, dass die Persönlichkeit des Schauspielers in der Rolle mitschwingt.“ Ihre Vergangenheit und Prägung, die sich im Verhalten in bestimmten Situationen niederschlagen.
Wunderbares Wiedersehen mit den Menschen von früher
Hat er eine Lieblingsrolle? Das kann der hochgewachsene Mann nicht pauschal sagen, das ist eine Frage der Inszenierung, hängt davon ab, ob man eine Figur ernst nimmt, sich auf sie einlässt. Wenn man sich dann noch in einer bestimmten Lebensphase befindet, kann das alles sehr anstrengend werden. Was nicht ausschließt, dass sich Rollen mit mehr Substanz leichter spielen lassen und leichtere Rollen mit weniger Ballast Spaß machen können. Den Wurm in Schillers Drama hat ihm Thomas Braus angeboten. Den Intendanten kannte Vogt noch als von ihm sehr geschätztes Ensemblemitglied, neben Silva Munzón López und Julia Wolff. Er freut sich auf die Auseinandersetzung mit der moralisch fragwürdig handelnden Person. Der Haussekretär des Präsidenten intrigiert dienstbeflissen mit seinem Herrn, ist „ein Arsch“. Die Rolle sei so gut geschrieben, dass man nicht mehr viel drauf packen müsse. Außerdem wisse Regisseur Roland Riebeling, der selbst Schauspieler ist, „was man als Schauspieler braucht, wir sprechen eine gemeinsame Sprache“. Wie stellt er den Wurm dar? Das werden die Leute dann schon sehen, und mehr genießen können, wenn sie nicht alle Geheimnisse im Vorhinein erfahren, lautet die Antwort.
Eigentlich ist Vogt Shakespeare-Fan, seine letzte Rolle bei den Wuppertaler Bühnen war im „Sommernachtstraum“. Natürlich schätzt er auch Schiller, die Klassik eben, mit ihren gut gemachten Stücken zu zeitlosen Themen, die es ermöglichen, auch heute noch Teile von sich selbst zu entdecken. Womit er wieder beim Wurm landet, diesem klassischen Bösewicht, der auch nur ein Mensch ist und Anteile hat, die man nachvollziehen kann. Vogt sieht sich als dessen Anwalt und fragt, was passieren muss, damit jemand sich so manipulativ und hinterlistig verhält wie er. Welche Schlüsselerlebnisse haben dazu geführt? Keiner, der Böses tue, sehe sich als Bösewicht.
Seit 2013 arbeitet der Schauspieler nicht mehr fest, genießt den Freiraum, der ihn viel erleben und prägen lässt – in Deutschland und andernorts in der Welt, während der Wohnort Wuppertal blieb. Aus privaten Gründen und weil er die Stadt mit ihrem Grün in Citynähe und erschwinglichen Preisen schätzen lernte – zuletzt besonders in der Pandemie. Das Geschehen an den Bühnen erlebt er aus der Ferne, das sei ein abgeschlossenes Kapitel. „Ich hatte in den letzten elf Jahren viel Zeit für Dinge, die Spaß machen.“ Mit weniger Produktionen und mehr Raum für Projekte, für Herausforderungen, für die Arbeit als Filmcoach und Dozent (an der Volkshochschule). Gerade das Unterrichten macht ihm Spaß, die Rollenrecherche gibt er gerne weiter, „Empathie für eine Rolle zu entwickeln, hilft jedem“, ist er überzeugt. Außerdem weckt diese Arbeit irgendwann wieder den Appetit aufs Theater. Nun entwickelt der Wahlwuppertaler eine Rolle an den Bühnen, lässt die Dinge auf sich zukommen, legt den Fokus auf die Premiere, was danach kommt ist offen. „Alles ist möglich.“ Auch, dass im Bösewicht ein guter Kern steckt.