Stadtrundgang der Volkshochschule In Wuppertal auf den Spuren des Widerstands
Wuppertal · Auf den Tag genau vor 90 Jahren, am 17. Januar 1935, begannen in Wuppertal die Massenverhaftungen. Zu diesem Anlass organisierte Volkshochschule eine Führung zur Geschichte der Wuppertaler Widerstandskämpfer.
Die düstere Atmosphäre hätte zum entsetzlichen Teil der Stadtgeschichte passender nicht sein können. Bei anbrechender Dämmerung und im dichten Nebel startete die Führung der Volkshochschule zur Geschichte der Wuppertaler Widerstandskämpfer, die in die „Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse“ mündeten am Denkmal im Deweerth’schen Garten.
Verhaftungswelle begann am 17. Januar 1935
Der Historiker Stephan Stracke und der Sozialwissenschaftler Dieter Nelles führten die Teilnehmenden zu einigen Schauplätzen der Verhaftungswelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) der Nationalsozialisten, die im Januar 1935 begann.
„Auf den Tag genau vor 90 Jahren, am 17. Januar 1935, begannen in Wuppertal die Massenverhaftungen“, erläuterte Stephan Stracke, und er zeigte historische Aufnahmen des Bereiches um den Johannes-Rau-Platz und den Beginn der Tannenbergstraße. Die düsteren Reproduktionen, die eine weitaus geringere Bebauung zeigte, als das heute der Fall ist, halfen bei der Orientierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Zu ihnen gehörte auch die gebürtige Wuppertalerin Martina Siekmann, die mit 20 Jahren ihre Heimatstadt verließ, und mit Beginn des Ruhestandes zurückgekehrt ist. „Ich möchte meine Stadt kennenlernen, eigentlich weiß ich gar nicht so viel“, begründete sie ihre Teilnahme an der Exkursion. Dabei hält sie es auch für wichtig, sich generell mit der Thematik von Täterschaft und Widerstand zu beschäftigen: „In vielen Familien gibt es vermutlich doch Nazis und Widerständler gleichermaßen“, vermutet sie. Sie begeistert das Engagement der Wuppertaler Stadtgesellschaft und ihr Mut. Auch der Historiker Stephan Stracke fragte im Laufe der Exkursion. „Woher haben die Widerstandskämpfer immer wieder den Mut zum Weitermachen gefunden?“
Er und Dieter Nelles haben gemeinsam studiert und zu den Gewerkschaftsprozessen im Wuppertaler Widerstand geforscht. „Ich habe viele Zeitzeugen interviewt“, erläutert Nelles. Aus diesen Schilderungen ging hervor, dass bereits in den Monaten März bis Juli 1933 20 Menschen von den Nazis ermordet wurden.
Dass es gefährlich war, Widerstand zu leisten und Mitstreiter zu mobilisieren, war den Betroffenen klar, und so traf man sich heimlich: „Bei einem konspirativen Treffen in einer Gaststätte an der Ecke Friedrich-Ebert-Straße/Tannenbergstraße wurden am 17. Januar die ersten drei Widerstandskämpfer Willy Muth, der Elberfelder Otto Heyler und Willi Recks aus Solingen verhaftet. Der geheime Treffpunkt war von einem Spitzel ausgekundschaftet und der Gestapo verraten worden. Der Kommunist Eugen Leviné hatte das Gefühl 1919 in seiner Verteidigungsrede auf den Punkt gebracht: „Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub“, zitierte Dieter Nelles, um ein Leben in permanenter Angst zu beschreiben.
„Anhand der Vernehmungsprotokolle lässt sich feststellen, dass quasi im zwei-Stunden-Takt weitere Verhaftungen stattfanden“, erläuterte Stracke. Unter Folter hätten die Häftlinge drei bis fünf Namen von Mitstreitern im Widerstand der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Wuppertal nennen müssen, so dass die Nazi-Schergen gleich losgingen, und die genannten Personen auch verhafteten. Bis 1936 seien insgesamt 1.900 Menschen verhaftet worden, mehr als 800 Gefangene wurden in den „Wuppertaler Gewerkschaftsprozessen“ verurteilt. Zu den 18 Ermordeten, die bis 1936 im Gefängnis oder in der Gestapo-Haft starben, gehörte als erstes Todesopfer Willy Muth. Er starb am 25. Januar 1935. „Es wurde so dargestellt, als habe er sich in seiner Gefängniszelle in der von der Heydt-Gasse selbst erhängt. Das lässt sich abschließend nicht mehr klären – die Umstände der Folter haben ihn möglicherweise dazu veranlasst, weil er keine Mitstreiter verraten wollte“, erläuterte Stephan Stracke. Gemeinsam mit seiner Frau Cläre hatte Willy Muth am Wiederaufbau der KPD in Wuppertal gearbeitet. Die engagierte Kommunistin Cläre floh zunächst in die Niederlande und organisierte aus dem Exil, das sie später in Mexiko wählte, den internationalen Widerstand gegen das Nazi-Regime.
Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gehörte auch die pensionierte ehemalige Wuppertaler Archivarin Karin Hockamp: „Die Aktivitäten der Arbeiterbewegung in Wuppertal gehören zu einem meiner Interessenschwerpunkte. Das ist ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte“, erklärte Hockamp, ihre Teilnahme an der Exkursion, denn dieses Interesse endet nicht mit dem Ende der aktiven Berufstätigkeit.