„Ohrenöffner“ Klingende Mahnmale in Wuppertal: Krieg und Frieden in der Musik
Wuppertal · Zahlreiche Zuhörer beim 3. Ohrenöffner in der Citykirche mit Björn Woll und Martin Schacht.
Musik hat sich in den letzten 400 Jahren in unserem abendländischen Kulturkreis von einer sakralen zu einer weltlichen Tonsprache entwickelt, die Klangbilder, Stimmungen, Gefühle und Botschaften vermitteln kann. Beim 3. „Ohrenöffner“, der beliebten Vortragsreihe in der Citykirche, hat Moderator Björn Woll sich diesmal thematisch den „klingenden Mahnmalen“ genähert , mit dem Fokus auf „Krieg und Frieden in der Musik“. An seiner Seite der Gesprächspartner Martin Schacht (Solo-Pauker des Sinfonieorchesters Wuppertal).
Die Pauke ist ein klangintensives Instrument und war, wie sich im Gespräch herausstellte, schon von Anfang an ein Instrument, das lautmalerisch Kanonendonner darstellen konnte, belegt durch ein Orchesterwerk von Monteverdi, der bereits 1628 weltliche Instrumentalmusik komponierte, in welcher neben den Pauken mithilfe von Geigen gewaltig gezupfte Pizzicati und wilde Tremoli lautmalerisch Kriegsmusik dargestellt wurde.
Björn Woll durchwanderte in seinem Vortrag – sprunghaft – die gesamte Musikgeschichte, vom frühbarocken Klang über Bachs barocke und Beethovens klassische Musiksprache bis hin zu Schostakowitsch, Britten und Messiaen, den Musikern des 20. Jahrhunderts. In allen Epochen war die Darstellung von „Kriegsmusik“ein aktuelles Anliegen, sich mit dem Leid und der zerstörenden Wirkung von Krieg auseinanderzusetzen. Ob der 30-jährige Krieg, die Türken vor Wien, die entgleitende französische Revolution, die beiden Weltkriege oder die Stalin-Diktatur, Björn Woll stellte aus allen Epochen Klangbeispiele vor, die den Krieg darstellten und, was noch viel bedeutsamer ist, Visionen und Botschaften des Friedens über die Tonsprache vermittelte.
Schostakowitschs 7. Sinfonie, die „Leningrader“ beschreibt das Chaos, den Gefühlswahnsinn, die Angst und übergreifend die Apokalypse des Weltuntergangs, verbunden mit der Vision des Friedens aus seiner persönlichen Sicht im 20. Jahrhundert. Der russische Komponist fürchtete persönlich um sein Leben, und beschrieb im 4. Satz seines Streichquartetts, einem Trauermarsch, die nach innen gerichtete Sehnsucht nach Frieden. Das Stück endet zuversichtlich, verbunden mit dem stillen Bekenntnis : Ich habe überlebt.
Als Kontrast wirkte dagegen Beethovens fast 100 Jahre zuvor komponiertes Auftragswerk „Wellingtons Sieg“, eine orchestrale Schlachtmusik, in der Briten und Franzosen sich kriegerisch bekämpften. In dieser plakativen Musik „sah“ man den Truppenaufmarsch und hörte das Pfeifen der Geschosse (Piccolo) und die Kanonenschläge der Pauken. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der gleiche Beethoven in seiner 5. Sinfonie ein Bekenntnis zu den Idealen der französischen Revolution herstellte und mit der Botschaft von Frieden eine ganz andere Klangsprache wählte. In seiner „Missa solemnis“ steigert er sich mit dem Ruf „Dona nobis pacem“ 1820 sogar zu einem Friedensgebet.
Vortrag endet mit berührender Friedensbotschaft
Woll sprang in seinem Vortrag dann wieder ins 20. Jahrhundert zu Britten und Messiaen. Bei beiden Komponisten, Brittens „War Requiem“ und Messiaens „Quartett für das Ende der Zeit“, tritt ein Friedensengel auf, der musikalisch dem Hörer den Himmel zeigt und somit eine Vision des Friedens offenbart. Die Botschaft – Hoffnung ja, Realisierung eher nein – bringt Messiaen dazu, sein Werk melancholisch enden zu lassen.
Der Vortrag des Vormittags endete für die zahlreichen Zuhörer im voll besetzten Kirchensaal der Citykirche mit einer uns heute noch berührenden Friedensbotschaft, vor etwa 275 Jahren komponiert, nämlich Bachs 1749 vollendete „h-Moll Messe“, in welcher der Friedensruf „Dona nobis pacem“ nicht nur ein Friedens-, sondern zugleich ein Glaubensbekenntnis des großen Barockmeisters darstellt: Der Glaube an eine bessere, eine gewaltfreie Welt. Mit diesen berührenden Worten beendeten beide Redner, Björn Woll und Martin Schacht, den Vormittag, nicht ohne anzudeuten, wie aktuell diese Botschaft in unserer realen, kriegerischen Welt ist. Es gab zustimmenden Applaus.
Der nächste „Ohrenöffner“ findet statt am Samstag, 22. März, und widmet seine Reihe „Musik im Gespräch“ einem freundlichen Thema: „Vogelgezwitscher: Vogelstimmen in der Musik“.