Beschwingte Premiere der Wupperetten-Revue Ein musikalischer Liebesbrief im Wuppertaler Opernhaus
Wuppertal · „Von Thalia geküsst“ - eine hinreißende Mischung von Operettenliedern und Chansons.
Am Freitag feierte die Wupperetten-Revue „Von Thalia geküsst“ im fast ausverkauften Wuppertaler Opernhaus eine umjubelte Premiere. Aus einer fulminanten Mischung von Operettenliedern und Chansons haben Dramaturgin Laura Knoll und Regisseurin Rebekah Rota ein Stück über das legendäre Wuppertaler Thalia-Theater geschaffen, in dem Geschichte und Fiktion nahtlos und plausibel ineinander übergehen.
Schon der Auftakt ist sehens- und hörenswert: Zur Ouvertüre der Operette „Die schöne Galathé“ von Franz von Suppé gibt es eine Diashow, die gut 100 Jahre Elberfelder Geschichte in Schwarz-Weiß-Fotografien ablaufen lässt: Rückwärts vom heutigen Sparkassenturm bis zur Eröffnung des Thalia-Theaters am Islandufer im Jahr 1906. Ist der imposante Musentempel mit der Neon-Leuchtschrift „Thalia“ zu sehen, spielt das Sinfonieorchester feierliche Walzerklänge.
Das Publikum erlebt Theater im Theater
Die Wupperetten-Revue beginnt im August 1929: Robert Riemer pachtet als Direktor das frisch renovierte Theater. „Möge dieses Haus von Thalia geküsst werden“, sind seine Worte bei der Wiedereröffnung. Das Publikum erlebt Theater im Theater, der Chor in Rokoko-Kostümen singt eine feierliche „Hymne an die Kunst“, dann schwebt Thalia, die Muse der Komödiendichtung, zu himmlischen Klängen auf die Bühne. Sie will das Theater unterstützen, mischt sich unter den Chor und flüstert dem Theaterdirektor gute Ideen zu. Der wird mit seinem Konzept sehr erfolgreich.
Die bekanntesten Stars der Zeit treten im Thalia auf, täglich kommen 4000 Zuschauer. Dennoch quälen ihn finanzielle Sorgen. Da passt das Lied „Ich bin von Rockefeller grad das Gegenteil“ von Mischa Spoliansky sehr gut. Bariton Oliver Weidinger spielt den Theaterdirektor glaubhaft und singt mit schönster Operettenstimme. Sangmin Jeon spielt Walter Zierau, den Liebling des Thalia-Publikums. Mit dem Lied „Ich knüpfte manche zarte Bande“ aus Carl Millöckers Bettelstudent erinnert er mit strahlendem Tenor an goldene Operettenzeiten.
Die Muse Thalia, mit quicklebendigem, warmen Mezzosopran gesungen von Edith Grossman, lernt neue Freunde und die Stadt Wuppertal kennen. Zwei zarte Liebesgeschichten entstehen und ziehen sich wie Robert Riemers Geschichte als rote Fädchen durch die Revue. Sabine Lindner hat ein großartiges Bühnenbild geschaffen, das sich von der Bühne des Thalia, mit elegantem roten „Wagnervorhang“ und leuchtenden Showtreppen, in das Büro des Direktors, ein Café oder eine Wohnung verwandeln kann. Mit wenigen Handgriffen bauen Tänzer und Choristen „im Vorbeigehen“ die Bühne um, eine sehr gute Lichtregie sorgt in jeder Szene für die richtige Stimmung.
Die Wupperetten-Revue ist eine herausragende Ensembleleistung, an der das gesamte Opern-Team mit großem Können und viel Herzblut beteiligt ist. Die Gewandmeisterinnen Petra Leidner und Elisabeth von Blumenthal haben aus dem Fundus zahlreiche tolle Kostüme geschaffen. Die Mitglieder des Opernensembles singen grandios und gestalten ihre Rollen mit großer Spielfreude.
Zachary Wilson und Elia Cohen-Weissert verkörpern die fiktiven Geschwister Felix und Luise Funke. Für sie singt Peter Herzenbruch, der charmante Reporter des General-Anzeigers, den Operetten-Hit „Ach Luise“. Merlin Wagner überzeugt hier als „typischer“ Operetten-Tenor. Bezaubernd inszeniert und gesungen ist auch ein Telefongespräch zwischen Peter und Luise.
Der Opernchor zeigt, dass er fabelhaft singen kann
Zwei Einspringer gibt es in der Premiere: Margaux de Valensart spielt die Sängerin Vera Schwarz, stimmlich ist sie indisponiert, und Rinnat Moriah singt backstage die Lieder mit wunderschön strahlendem Sopran. Von der zehnköpfigen Tanz-Statisterie, die mit großer Spielfreude in wechselnden Rollen zu unterschiedlichsten Rhythmen tanzt, ist ein Tänzer ausgefallen. Choreograf und Co-Regisseur Edison Vigil springt kurzerhand ein.
Der Opernchor der Wuppertaler Bühnen (exzellent vorbereitet von Ulrich Zippelius) zeigt wieder einmal, dass er fabelhaft singen und ebenso in vielfältige Rollen schlüpfen kann. Es gibt opulente Showszenen und Humor. Das Lied „Wenn es hier mal richtig regnet“ bekommt besonders großen Szenenapplaus – im Text wird das „Salzkammergut“ gegen „Wuppertal“ ausgetauscht. Zum echten Ohrwurm wird „Mädel, fahr mit mir Schwebebahn“ – schwungvoll gesungen von Solisten und Opernchor.
Danach folgt das Publikum mit großem Vergnügen Thalias Aufforderung zum Mitsingen. Das Sinfonieorchester spielt klassische Operettenmusik, jazzige Rhythmen, Swing und Charleston gleichermaßen brillant. Auch Banjo und Gitarre sind mal zu hören, und Kyunbae Ju spielt mit Bravour Klavier und Celesta. Großartig ist die musikalische Leitung durch Jan Michael Horstmann, der viele Arrangements für das Orchester geschrieben hat und die einzelnen Szenen mit genialen Zwischenspielen verbindet. In ihnen macht er die jeweilige Stimmung, knisternde Telefondrähte oder Regentropfen hörbar. Musikalisch lässt er auch die Jahre vergehen.
Die Operette endet jäh, als der jüdische Theaterdirektor 1933 seine Intendanz vorzeitig abgeben muss. Es folgen Melancholie im Thalia und nachdenkliche Stille im Publikum. Dann brausen riesengroßer Applaus und Jubel auf für diesen einzigartigen „Liebesbrief an Wuppertal“, geschrieben von Laura Knoll und inszeniert von Rebekah Rota.