Das Gipfeltreffen der Wuppertaler Literaten

15 Autoren lesen eigens verfasste Texte zu den Bildern, die Oskar Schlemmer am Döppersberg gemalt hat.

Foto: Stefan Fries

Amüsant alters-renitent klingt Karl Otto Mühl, wenn er beschreibt, wie wenig Lust er auf eine Recherche über den Maler Oskar Schlemmer hat: „Kann ich das wollen?“ Dann sucht er doch Gemeinsamkeiten, wundert sich, „was die Nazis gegen ihn hatten. Für mich haben die Frauen auf seinen Bildern alle etwas von Kernseife“.

Dicht an dicht sitzen seine Autoren-Kollegen neben ihm im Opernhaus. Zum ersten Mal kommen sie so zahlreich zu einem Projekt zusammen. 20 Schriftsteller haben Texte geschrieben zu einigen der Bilder, die Oskar Schlemmer 1942 am Fenster seiner Wohnung am Döppersberg 24 gemalt hat. 15 von ihnen haben ihren Text am Dienstagabend im gut gefüllten Kronleuchterfoyer gelesen.

Bildbeschreibung könnte man im Schul-Vokabular die gemeinsame Aufgabe nennen, der jeder für sich nachgegangen ist. Melancholisch sind die Blicke des Malers in die Wohnungen. Oft sieht man eine schmale Frau von hinten, die Farben sind matt. Auf diese Sichtweise dürften sich die Autoren noch verständigen, doch dann ist es mit der Gemeinsamkeit vorbei. Denn jeder hat einen anderen Zugang, eine andere literarische Form gefunden.

Krimi-Autor Jürgen Kasten zieht aus dem „Fensterbild mit Kommendem“ eine spannungsgeladene und witzige Szene — „man sollte die Polizei verständigen“. Michael Zeller fasst drei Bilder zu einer konzentrierten Dreiecksgeschichte zusammen. Matthias Rürup löst in seinem Gedicht das Wort „Undank“ in seine Bestandteile auf.

Über 365 Stufen himmelwärts geht Friederike Zelesko an ihr Bild heran. Ingrid Stracke schreibt einen Brief an den „lieben Oskar“. Marina Jenkner empfindet die Angst vor dem Krieg nach. Wolf Christian von Wedel-Parlow denkt sich anschaulich in den Heimweg des Malers durchs damalige Wuppertal hinein. Dorothea Müller sieht eine Waltraud mit imaginären Gästen.

In die allgemeine liebevolle Annäherung an Schlemmer platzt erfrischend die kunsthistorische Betrachtung von Andreas Steffens, dass der Maler doch an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert sei. „Dogmatische Erstarrung seiner Bilder“ wirft er ihm vor.

Moderatorin Dorothea Renkhoff, deren Abende mit „Engelsgartentexten“ auch in der nächsten Spielzeit weitergehen, trägt ihr Kabinettstückchen vor, in dem Bügeln („Immer mit der Passe anfangen“), Angst um den Geliebten an der Front und Hitler-Verehrung in den Gedanken der Frauenfigur gleichberechtigt durcheinander purzeln.

Ein anregender Abend, nicht nur für den Schriftsteller Arnim Juhre, der jahrelang für dieses Projekt geworben und gekämpft hat.