Die Kennerin der „heiligen Hallen“

Gisela Schmoeckel weiß, wie man Besucher an die Werke im Von der Heydt-Museum heranführt.

Foto: Anna Schwartz

Wuppertal. Sie beginnt an einem feinen Landschaftsbild: „Anfangs malte er ganz akademisch.“ Gisela Schmoeckel zeigt, wie Camille Pissarro einst dünnste Farbschichten auftrug, damit nur ja kein Pinselstrich zu erkennen ist. Und legt damit eine erste Spur, um die Entwicklung des Malers zu erfassen, der heute als Vater der Impressionisten gilt.

Wer ihr bei einer Führung zuhört, sieht nicht nur schöne Bilder, sondern lernt jede Menge über den Maler, seine Zeit und Kunst überhaupt. Die 71-Jährige ist eine der rund 30 Museumspädagogen, die den Besuchern des Von der Heydt-Museums die Kunst näherbringen. Ein Angebot, das immer mehr gern annehmen: Bei der Pissarro-Ausstellung wurden neben rund 600 öffentlichen Führungen bereits mehr als 1200 private Führungen gebucht.

Als „Kunst-Erklärer“ geben die Museumspädagogen den Betrachtern Schlüssel zum Bildverständnis an die Hand. Wenn zudem Kunst-Begeisterung wie bei Gisela Schmoeckel dazukommt, wird der Museumsbesuch zum Erlebnis. Sie macht auf Pissarros veränderte Malweise nach einigen Jahren aufmerksam, auf unscharfe Konturen, sichtbare Pinselstriche und farbige Schatten: „Kaum zu glauben, dass das der gleiche Maler ist.“

Ihr ist die Freude daran anzuhören. Erklärungen zur Kunst waren früher nicht üblich. In ihrer Kindheit seien die Räume des Von der Heydt-Museums noch „heilige Hallen“ gewesen, erinnert Schmoeckel sich. Heute müssten Museen aber auf die Konkurrenz durch andere Freizeitangebote und den Spardruck reagieren.

Gisela Schmoeckel

Das Von der Heydt-Museum folge mit seinem museumspädagogischen Angebot dabei nur seiner selbst gestellten Aufgabe: „Es soll zur Bildung der Bevölkerung beitragen.“ Auch bei Pissarros Bildern von Menschen teilt sie ihre Bewunderung mit: „Die kleine Magd steht in der Tür: Sie gehört weder hier- noch dorthin.“ Gisela Schmoeckel hat nach einer Ausbildung zur Bibliothekarin Literatur und Kunstgeschichte studiert. Als ihre Kinder größer wurden, schrieb sie als freie Journalistin über die regionale Kunstszene. Für ihre Recherchen dazu kam sie oft in die Bibliothek des Von der Heydt-Museums. Und als hier Menschen für Führungen gesucht wurden, meldete sie sich.

Heute führt sie drei- bis viermal pro Woche Besucher durchs Haus. Wie, das entscheidet sie wie ihre Kollegen selbst. Direktor Gerhard Finckh macht zu jeder Ausstellung eine ausführliche Einführung, dann entwickelt jeder sein Konzept. Und passt es den Anforderungen an: „Jede Gruppe ist anders“, betont Gisela Schmoeckel. Sie versucht herauszufinden, was die Teilnehmer interessiert — Biografie, Zeitgeschehen, Kunsthistorie oder Bildaufbau. „Wenn einer gähnt, gehe ich schnell zum nächsten Bild.“ Ihr Ziel: „Ich hoffe, dass sie sehen, welche großartige Malerei das ist.“ Ihre Erfahrung dabei: „Irgendwann packe ich sie.“