Die Musikhochschule punktet auf internationaler Ebene

Direktor Lutz-Werner Hesse spricht über Profile, Perspektiven und Zuschauermagneten.

Herr Hesse, in den vergangenen Monaten hat die Wuppertaler Musikhochschule durch diverse internationale Festivals und Wettbewerbe auf sich aufmerksam gemacht. Waren die Veranstaltungen auch zahlenmäßig ein Erfolg?

Lutz-Werner Hesse: Ja, das kann man wohl sagen. Die circa 30 Konzerte des Euro-Arts-Festivals haben rund 3000 Leute besucht, die beiden Konzerte des „Musiksommers“ rund 400. Interessant war, wie der Besuch der Konzerte von Mal zu Mal besser wurde. Offenbar sprach sich unter den Interessenten an der Kammermusik sehr schnell herum, welche Qualität geboten wurde. Für uns ist das besonders schön und auch aufschlussreich: Es gibt in Wuppertal durchaus ein Publikum für Kammermusik.

Wie kommt es, dass sich die Musikhochschule zu einem neuen internationalen Zuschauermagneten entwickelt hat?

Hesse: Da profitieren wir sicherlich auch von der enger werdenden Verbindung zwischen den drei Standorten der Hochschule für Musik und Tanz Köln (HfMT) mit Aachen und Wuppertal. Die Organisatoren des Euro-Arts-Festivals hatten sich ursprünglich an Köln gewandt. Das dortige Gebäude ist derzeit aber wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten nur mit Einschränkungen nutzbar. Vor allem muss ja der Unterricht dort gewährleistet sein. Anderes ist dann Nebensache. So wurde die Anfrage nach Wuppertal weitergeleitet. Wir haben dann überlegt, ob es realistisch für uns ist, ein so großes Projekt zu beherbergen. Letztlich haben wir zugesagt und nun stehen die Chancen nicht schlecht dafür, dass Wuppertal die Heimat des Festivals für die kommenden Jahre werden könnte.

Welches Profil hat die Wuppertaler Musikhochschule?

Hesse: Unser Profil liegt traditionell im Bereich der musikpädagogischen Studiengänge. Das ist auch politisch und hochschulintern absolut gewollt, da die pädagogischen Studiengänge weiter gestärkt werden sollen. Gerade durch den weitgehenden Rückzug des Faches Musik aus den allgemeinbildenden Schulen ist eine Verstärkung der pädagogischen Bemühungen unerlässlich, sollen nicht unsere kulturelle Tradition und die Menschenbildung großen Schaden erleiden.

Und der künstlerische Bereich?

Hesse: Auch den gibt es in Wuppertal. Wir setzen auf das gesamte Spektrum der künstlerischen Ausbildung in fast allen Instrumenten, sogar in an einer Hochschule eher ungewöhnlichen wie etwa der Mandoline. Diese künstlerische Ausbildung ist eminent wichtig für den Standort Wuppertal, da das Klima einer Musikhochschule natürlich nachhaltig von künstlerischen Leistungen bestimmt wird. Außerdem erachten wir die Trennung zwischen Pädagogik und Kunst ohnehin als ebenso künstlich wie unsinnig.

Veranstaltungen mit internationaler Besetzung sind natürlich nicht zuletzt Werbung in eigener Sache. Ziehen sie auch neue Studenten an?

Hesse: Davon gehe ich aus. Es ist sicherlich so, dass das ein mittelfristiger Effekt ist. Aber er wird eintreten. Es wird sich herumsprechen, welch ein attraktiver Studienort der Standort Wuppertal mit seinem herrlichen Gebäude und den daraus resultierenden Möglichkeiten ist.

Was spricht dafür?

Hesse: Die Überschaubarkeit, das Ambiente und nicht zuletzt das Klima im Dozentenkollegium sind etwas ganz Besonderes und teilt sich den Gästen mit. Ein Beispiel kann das sehr schön belegen: Als wir jetzt die ersten beiden Runden des Violinwettbewerbs in Wuppertal hatten, war natürlich auch die international besetzte Jury für fast eine Woche hier. Alle waren ausnahmslos begeistert vom Haus und seinen Möglichkeiten und werden das natürlich bei anderen Gelegenheiten auch international weitertragen. Und ich erlaube mir zu sagen, dass auch die Stadt Wuppertal in zunehmendem Maße davon profitiert.

Wie viele Studenten hat die Wuppertaler Musikhochschule derzeit — und aus welchen Ländern kommen sie?

Hesse: Die Hochschule hat im Wintersemester 2011/2012 fast 200 Studierende — damit haben wir unsere „Zielzahl“ fast erreicht. Sie kommen zum großen Teil aus Deutschland, aber auch aus Frankreich, Italien, Polen, Russland, Weißrussland, Ukraine, Aserbaidschan, Iran, Japan, Korea, China, Nicaragua oder Chile. Und bestimmt habe ich noch etwas vergessen.

Gibt es da keine Sprachprobleme?

Hesse: Ja, es gibt durchaus Probleme im Bereich der Sprachkompetenz. Diese sind mittlerweile aber gut erkannt und die gesamte Hochschule arbeitet an der Lösung. Kurse und Tutorien, die die ausländischen Studierenden betreuen, sollen da helfen.

Die Musikhochschule hat sich in den vergangenen Jahren — auch schon unter Ihrem Vorgänger Dieter Kreidler — vermehrt geöffnet und Publikum angelockt. Wie wichtig ist der Zuspruch der Wuppertaler?

Hesse: Das Wuppertaler Publikum ist unser Stammpublikum. Daher ist es sehr, sehr wichtig. Es begleitet unsere Konzerte ja nicht nur zu Festivalzeiten, sondern durch das ganze Jahr und den Studienalltag und bietet einen angemessenen Rahmen für die zahlreichen Konzerte. Die Musikhochschule wiederum bietet dem Publikum und damit der Stadt Wuppertal musikalische Veranstaltungen auf höchstem Niveau und das ohne Eintritt. Sie strahlt damit stark in die Stadt aus und liefert ein niederschwelliges Angebot. Damit hat sie sogar eine soziale Funktion. Darauf sind wir stolz, denn als Landesinstitution — wir sind ja nicht städtisch — nützen wir der Stadt, in der wir beheimatet sind.

Der Wuppertaler Standort hat im Laufe des vergangenen Jahres im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der HfMT in vielen hochschulinternen Gesprächen seinen neuen Platz gesucht und wohl auch gefunden. Wie sieht die Musikhochschule der Zukunft aus?

Hesse: Hinter der HfMT steckt eine ungewöhnliche konzeptionelle Idee, die in der Existenz dreier Standorte ihre Wurzel hat. Die HfMT möchte eine „regionale Musikhochschule“ sein. Das heißt: Sie muss an allen drei Standorten so aufgestellt sein, dass sie über die Internationalität hinaus in die Region hineinwirkt und hier wie dort attraktiv ist. Die Attraktivität beruht einerseits und primär auf den Angeboten und Leistungen im Bereich der Lehre, aber natürlich auch im Bereich der vorzeigbaren pädagogischen und künstlerischen Ergebnisse, also der Ausstrahlung. Die Verwirklichung dieser „regionalen Musikhochschule“ ist eine große Herausforderung. Es gibt bisher keine Vorbilder, die „funktioniert“ haben. Ich bin aber sehr optimistisch, dass wir das schaffen werden.