Klavierzyklus: Ein Bodybuilder als Pianist
Tzimon Barto hat viele Talente. Der Bodybuilder ist Autor und Pianist. In Elberfeld gab er ein grandioses Gastspiel am Flügel.
Wuppertal. Der US-Amerikaner Johnny Barto Smith, bekannt als Tzimon Barto, ist ein Schrank von einem Mann. Dass er Bodybuilder ist, sieht man ihm sogleich an. Dass er auch Klavier spielen kann, davon konnte man sich beim 6.Konzert des "Bayer Klavierzyklus´" überzeugen.
Kein Wunder, dass mancher Sorge um den kostbaren Konzertflügel im Mendelssohn Saal hatte - weitgehend unbegründet, denn Barto kann einen Flügel ebenso energisch traktieren wie sanft und einfühlsam streicheln.
Dass Barto ganz eigene Interpretationsansätze verfolgt, wird schon bei den Werken des Barockmeisters Jean-Philippe Rameau klar. Ausgesprochen langsam geht er etwa die "Allemande" aus den "Nouvelles suites" von 1728 an. Er dehnt die Vorhalte, um individuell gesetzte Fermanten noch deutlicher in Szene zu setzen. Ein wenig sparsam verwendet er das leicht hingetupfte Spiel, das Rameau ebenfalls gut ansteht. Denys Proshayev hat dies zuvor im zweiten "Klavierzyklus" bewiesen.
Barto ist ein Mann mit vielen Talenten. Er spricht fünf Sprachen fließend und ist als Schriftsteller tätig. Neben seiner Pianisten-Tätigkeit widmet er sich intensiv der Förderung junger Komponisten. Der "Barto-Prize", den er auslobt, ging 2008 an den Portugiesen Patricio da Silva, dessen "Three Movements for Solo Piano" Barto vorstellt.
Rauschhafte Skalen über wütendem Bass, eine rhythmisch hämmernde Linke, Einzelton-Tonleitern und heftig gegriffene Akkorde mit der Rechten des ersten Teils erinnern durchaus an den Free Jazz. Dann wird es elegisch: Aus minimalem Ton-Material bäumt sich eine kleine Melodie auf und sinkt wieder herab. Endlich das furiose Finale: Fast endlos repetierte Töne im Diskant scheinen die Arbeit des Klavierstimmers zu kopieren, unterlegt von rhythmisch-kraftvollen, komplex verwobenen Mustern.
Auch bei Franz Liszt ist der Pianist absolut in seinem Element. In den "Grandes Ètudes d´après Paganini" (1851) will Liszt die irrwitzige Technik des Violin-Virtuosen auf das Klavier übertragen. Die g-Moll-Etüde "Il tremolo" fordert nach einem breit ausladenden Andante-Preludio zunächst die Linke mit den berühmten Paganini-Tremoli und einer Tenor-Kantilene, ehe sich die Hände abwechseln und das rasend schnelle Tremolo auch in die Rechte wandert.
Das ist pianistische Technik auf Höchstniveau. "Die Hände müssen mehr in der Luft als auf den Tasten sein", forderte Liszt und meinte damit, das Akkorde nicht erst auf der Klaviatur gefunden werden, sondern schon in der Luft fixiert sein sollen. Nach dem Listschen Klangfarben-Gewitter ist Maurice Ravels "Miroirs" eine Offenbarung: Gespenstisch huschen und stolpern in "Noctuelles" die nächtlichen Schatten über die Klaviatur, abrupt bricht die wehmütige Melodie immer wieder ab. Mit dem Morgenruf der Amsel beginnt das bedrückende "Oiseaux tristes" (Traurige Vögel), das Barto sehr entrückt und mit tiefer Empfindung spielt.
"Eine Barke auf dem Ozean" schaukelt in gebrochenen Akkorden als schwankendes Motiv ohne erkennbare Muster mit schwirrenden Klangfarben. Meisterhaft stellt der Virtuose Ravels faszinierende Klanglösungen vor. Frédéric Chopins "Andante Spianato e Grande Polonaise brillante" in Es-Dur schließt sich nahtlos an. Auch hierbei glänzt der Pianist mit versunkenem Spiel und kraftvoll-eleganter Passagenbrillanz. Dieser Klavierabend wird lange in Erinnerung bleiben.