Wuppertaler Kultur Michael Zeller zieht als Gast-Autor in die Literarische Residenz Charkiv

Der Wuppertaler wurde vom ukrainischen PEN-Zentrum eingeladen.

Michael Zeller will in Charkiv Texte schreiben.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Für den Schriftsteller Michael Zeller ist es eine weite Reise und eine große Ehre. Das ukrainische PEN-Zentrum Kiev lädt den Wuppertaler für September zu einem Arbeitsaufenthalt ein. Als erster ausländischer Autor überhaupt wird er im ostukrainischen Charkiv die Literarische Residenz bewohnen. Auf den Gast wartet ein volles Programm – Lesungen in Schulen, Bibliotheken und Universitäten sowie Treffen mit einheimischen Kollegen. „Natürlich werde ich wie überall über meine Tage dort schreiben“, sagt Zeller. „Ob in Prosa, Lyrik oder einem Tagebuch – das weiß ich noch nicht.“

Es ist nicht Zellers erster Besuch in Charkiv. Der Osteuropa-Fan hat die mit rund 1,5 Millionen Einwohnern zweitgrößte Metropole des Landes schon Anfang der neunziger Jahre kennengelernt. Wenn Zeller sie beschreibt, kommt er ins Schwärmen: „Charkiv hat eine wunderschöne Architektur aus der Zeit nach der Revolution 1917. Das sind groß dimensionierte Bauten, wie man sie im Westen nicht kennt.“

Seit dem ersten Aufenthalt ist Zeller mehrmals zurückgekehrt. Er gehört zu den Initiatoren des Hermann Kesten-Preises – eine Ehrung für Schüler in Charkiv, die sich im Erlernen der deutschen Sprache und im Übersetzen von deutschsprachiger Literatur hervortun. Vor Ort hat er auch den Schriftsteller Serhij Schadan kennengelernt, „da war der noch ein ganz junger Typ, der gerade mit seinem Studium begonnen hatte“. Durch Übersetzungen seiner Romane ist der Ukrainer mittlerweile auch in Deutschland bekannt. Dank Zeller konnte das Wuppertaler Publikum Schadan 2016 bei der Literaturbiennale erleben – als Erzähler und Sänger einer Ska-Rock-Band.

Zeller glaubt an
gut besuchte Lesungen

Dass der Name Zeller nicht nur in Charkiv einen guten Klang hat, verdankt sich den deutsch-ukrainischen Anthologien, in dem seine Erzählungen und Gedichte erschienen sind. Mit „Kropp“ liegt auch ein Roman in Übersetzung vor. Zeller rechnet damit, dass seine Lesungen ordentlich besucht sein werden. „Gerade die Jungen sind aufgeschlossen und haben großes Interesse an Literatur.“ Neugierig ist er auf Gespräche mit seinen ukrainischen Lesern. „Ein paar Brocken Slawisch“ könne er auch, „und im Zweifelsfall verständigt man sich mit Händen und Füßen.“

Die Beziehungen zwischen den beiden Nationen waren nicht immer so gut – das weiß Zeller aus eigener Erfahrung. „Charkiv war ja eine Stadt, die im 2. Weltkrieg heftig umkämpft war. Ein Onkel von mir ist im Sommer 1943 vor der Stadt gefallen.“ Im persönlichen Umgang habe er nie den Eindruck gehabt, dass die Ukrainer „mit mir als Deutschem alte Rechnungen begleichen wollen“. Gelassen blickt Zeller auch auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. „Davon ist in Charkiv im Moment nichts zu spüren. Die Front ist ja auch eingefroren.“