„Die Hölle/Inferno“ Solostück: Thomas Braus und seine "Hölle"

Thomas Braus wandert wie Dante mit den Zuschauern durchs Opernhaus und spielt sein Solostück hoch oben unter der Kuppel.

Foto: Klaus Lefebvre

Wuppertal. Es wird eine intime Vorstellung: 30 Zuschauern pro Vorstellung zeigt Thomas Braus seine „Hölle“ — beziehungsweise die, die er für sein Solostück aus Dantes „Inferno“ herausdestilliert hat, vielleicht werden auch 35 genehmigt. Denn der Schauspieler, der zur nächsten Spielzeit Intendant des Schauspiels wird, trifft sich mit der kleinen Schar im Kronleuchterfoyer und spielt sich allmählich hoch unter das Dach des Opernhauses.

„Diesen Raum kennt kaum jemand, eigentlich lagern dort nur ein paar Scheinwerfer“, sagt Braus. Er ist mit Intendantin Susanne Abbrederis auf der Suche nach einem besonderen Aufführungsort durchs Haus gegangen, durch Zufall sind sie auf die Räumchen in der Kuppel gestoßen, durch deren Luken man in den Zuschaueraum blickt.

Den ersten Kraftakt hat Thomas Braus vollbracht, als er vor Monaten in Dantes „Inferno“, dem ersten Teil der „Göttlichen Komödie, die große Zahl von Figuren auf eine reduziert hat. Der italienische Schriftsteller (1265 — 1321) lässt bei dem Gang durch die neun Kreise der Hölle zudem zahllose historische und literarische Anspielungen aufblitzen. Als erstes hatte Thomas Braus eine Gedichtfassung gelesen und „vieles nicht verstanden“. Am Ende hatte er fünf verschiedene Fassungen durchgearbeitet und münzt die Wanderung zu einer Reise ins Innere des Menschen um: Die Hölle liegt tief in uns drin.

Als Regisseur für das Solostück haben Braus und Abbrederis die Regielegende Johann Kresnik engagieren können. Der 79-Jährige steht für Provokation und archaische Bilder, die den Zuschauer anspringen, hat auch schon mal mit halben Schweinehälften inszeniert, die auf der Bühne zerhackt wurden.

Für Tierkadaver ist unterm Dach kein Platz. Aber der Raum, den Braus bis zum letzten Zentimeter nutzt, wird für ihn auch so zum zweiten Kraftakt. Davon zeugen nach zwei Wochen Probe die vielen Schrammen an den Armen. Denn der Schauspieler hangelt sich an einem Gestänge bis ganz nach oben, wo die Staubflusen zentimeterdick liegen. Er klettert über Stahlabdeckungen und muss achtgeben, dass er nicht auf die Gipsteile dazwischen tritt, denn dann würde er tief in den Zuschauerraum stürzen. Dafür musste er auch eine Erklärung unterschreiben, dass er sich des Risikos bewusst ist. „Für die Zuschauer ist das alles aber absolut ungefährlich“, sagt er.

Eine Wellness-Sitzung wird die Aufführung dennoch nicht. „Die Hölle ist nichts Schönes“, sagt er. „Das Stück und die Bilder sollen den Zuschauern auch wehtun.“ Aber das Ziel ist wie bei Dante klar: Dass es am Ende einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt.

„Die Hölle/Inferno“ wird bis zum Sommer immer wieder auf dem Spielplan stehen: „So lange, bis es sich nicht mehr verkauft“, grinst Braus. Kollidiert so ein strapaziöses Stück nicht mit den Vorbereitungen auf seine Intendanz ab Herbst 2017? „Na ja, ich bin in dieser Spielzeit als Schauspieler engagiert, ich spiele ja auch noch in anderen Stücken“, sagt er.

Allerdings habe er schon jetzt den Eindruck, sein Tag müsste eigentlich 48 Stunden haben. „Es wird natürlich eine enge Kiste, das habe ich auch immer gesagt. Aber das wäre es auch bei jedem anderen Intendanten. Und Leute von außen hätten nicht einmal im Januar anfangen können. Die Entscheidung ist ja erst einen Monat alt, so schnell könnte sich keiner freimachen.“