Uraufführung: Gedankenspiel für wache Ohren

Regisseurin Anne Hirth spricht über ihr Klang-Konzept.

Wuppertal. Was ist dirigiertes Sprechen? Wie kann ein Theaterstück ohne Textvorlage entstehen? Und vor allem: Was versteht Regisseurin Anne Hirth unter musikalisierter Sprache? Wer sich auf solche Fragen konkrete Antworten erhofft, dürfte enttäuscht oder aber — im Gegenteil — noch neugieriger geworden sein.

Denn Anne Hirth plant, was man am besten selbst erleben sollte: einen Abend an der Grenze zwischen Schauspiel, Musik und Tanz. Dabei gehört die Berlinerin, die bereits „Rost“ aus der Taufe hob und am 22. Juni ihre zweite Arbeit an den Wuppertaler Bühnen vorstellt, keinesfalls zu jener Sorte von Spielmachern, die aus ihren szenischen Konzepten ein größeres Geheimnis machen als Tanz-Ikone Pina Bausch einst um ihre neuen Stücke.

Die gebürtige Norddeutsche ist keine, die das Gespräch über ihre Arbeit scheut wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser. Mit ruhiger Stimme — überlegt, aber auch offen — deutet sie an, worum es ihr bei der Uraufführung im Kleinen Schauspielhaus geht.

Das Publikum soll sich „Gedanken über weite Entfernungen“ machen — so heißt die Produktion, die ohne einen neuen Fonds der Kulturstiftung des Bundes („Doppelpass”) wohl kaum möglich wäre. Auch hier ist der Titel Programm: Der „Doppelpass“ unterstützt die Zusammenarbeit zwischen Stadttheatern und freien Künstlern.

Apropos: „Ich komme aus der freien Szene — vom Tanz. Da spricht man ja nicht so viel“, erklärt Anne Hirth augenzwinkernd. „Ich mag das auch im Alltag — wenn man sich nicht allein auf Worte verlässt.“ Weshalb sie in ihrem Stück „auch andere Arten der Verständigung sichtbar machen möchte“.

Mit anderen Worten: Dass Hirth ihr „Gedanken“-Spiel gemeinsam mit Christian Kesten inszeniert, hat seinen Grund. Der Komponist ist Experte für experimentelle Musik. „Es ist unsere erste Zusammenarbeit — und sehr spannend. Anne arbeitet ja immer ohne Textvorlage. Der Klang rückt in den Fokus. Und das Wichtigste ist: Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird auch Sprache zur Musik.“ Auch das kann jetzt schon verraten werden: Es gibt Livemusik, die auch mit Objekten erzeugt wird, beispielsweise mit knisterndem Papier.

Neben Irena Tomain, Ivan Fatjo Chaves, Ariel Garcia und Gregory Stauffer ist nur ein Darsteller dabei, den das Publikum der Wuppertaler Bühnen bereits kennen dürfte: „Gregor Henze spielt unter anderem Geige“, verrät Anne Hirth. „Alle werden vielseitig eingesetzt.“ Wobei die Regisseurin eines nicht verschweigt: Das Ensemble wird nicht zuletzt mit der Stille spielen und auf Pausen setzen. Den Rest soll sich der geneigte Zuschauer nicht etwa denken — er soll es am besten mit eigenen Ohren erleben.

“ Karten für die Uraufführung am Samstag, 22. Juni, 20 Uhr, gibt es unter

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